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Diva (DE)

Diva (DE)

Titel: Diva (DE) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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in der eisigen trockenen Dunkelheit. Miss Kathies Keller, der ganze Inhalt hier versammelt. Die Urnen stehen, die Flaschen liegen, alles mit Spinnweben bedeckt.
    Kläff, oink, quiek  … Dom Pérignon 1925 .
    Kläff, miau, i-aah  … Bollinger 1917 .
    Terrence Terry pult die vergoldete Folie vom Korken einer Flasche. Er dreht an der Drahtschlaufe und lockert den Drahtkorb, der den Pilzkorken in der Flasche hält. Er hebt die Flasche hoch, zielt in eine leere Ecke der Krypta und quetscht mit beiden Daumen an dem Korken herum, bis ein lauter Knall durch den steinernen Raum schallt und Schaum in hohem Bogen aus der Flasche auf den Boden schießt.
    Brüll, gluck, wieher  … Perrier-Jouët .
    Piep, miau, i-aah  … Veuve Clicquot .
    Tourette-Syndrom der Markennamen.
    Terry nimmt ein Champagnerglas aus der Nische, hält es vor sein Gesicht, spitzt die Lippen und pustet den Staub ab. Er reicht Miss Kathie das Glas und schenkt ihr Champagner ein. Aus der offenen Flasche steigt ein Geist aus kaltem Dampf.
    Als jeder von uns ein staubiges Glas Champagner in der Hand hält, hebt Terry seins an und gibt einen Trinkspruch aus. »Auf Oliver«, sagt er.
    Miss Kathie und ich, wir heben unsere Gläser und sagen: »Auf Oliver.«
    Und wir alle trinken den süßen, schmutzigen, schäumenden Wein.
    Begraben unter Staub und Spinnweben, liegt der Spiegel in seinem Silberrahmen. Nach einer Schweigeminute nehme ich den Spiegel und lehne ihn an die Wand. Selbst im Dämmerlicht der Krypta funkeln die Kratzer auf dem Glas, jede eingeritzte Linie das Protokoll einer Falte, die meine Miss Kathie gestrafft oder gestreckt oder mit Säure weggeätzt hat.
    Miss Kathie hebt ihren Schleier und tritt auf ihre Markierung, das Lippenstift-X auf dem Steinboden. Ihr Gesicht deckt sich exakt mit der Geschichte ihrer Haut. Die in den Spiegel gekratzten grauen Haare legen sich über ihr Haar. Sie zupft an den Fingerspitzen eines Handschuhs und zieht, bis er von der Hand gleitet. Miss Kathie schraubt den Diamantverlobungsring und den Ehering vom Finger, gibt mir den Diamanten und legt den goldenen Ehering in die staubige Nische neben die Urnen. Neben die Urnen vergangener Hunde. Neben vergangene Lippenstifte und Nagellacke, ausgemustert, weil sie für zu bunt, für zu jung erachtet wurden, für Miss Kathie nicht mehr tragbar.
    Jedes dieser diversen Champagnergläser, die trüb von Staub und alten Weinresten überall in der Krypta herumstehen, der Rand jedes dieser Gläser ist ein Museum verschiedener Lippenstiftschattierungen, die Miss Kathie hinter sich gelassen hat. Die auf dem Fußboden verstreuten Kippen uralter Zigaretten, an manchen ihrer Filter kleben dieselben uralten Lippenstiftfarben. Überall im Stich gelassene Drinks und Glimmstengel, auf dem Boden, in steinige Winkel gestopft, wie die Bühne für eine unsichtbare Cocktailparty der Verblichenen.
    Terry, Beobachter unseres Rituals, schiebt eine Hand in die Innentasche seines Jacketts. Er zieht ein verchromtes Zigarettenetui hervor, lässt es aufschnappen und entnimmt zwei Zigaretten, die er sich beide zwischen die Lippen klemmt. Terry schlägt eine Flamme aus einer Ecke des verchromten Etuis und macht damit die beiden Zigaretten an. Eine lässige Handbewegung lässt die Flamme verschwinden, und Terry befördert das Etui in die Tasche zurück. Er nimmt eine Zigarette aus dem Mund, reicht sie samt der nachschleppenden Rauchspirale Miss Kathie hin und steckt sie ihr zwischen die Lippen.
    Diese Rückblende spielt vor den von Paco Esposito verursachten Krähenfüßen. Bevor ich die mit dem Senator in Zusammenhang stehenden Stirnfurchen in diesen Spiegel des Dorian Gray geritzt habe.
    Ich mache mich mit dem Diamanten an die Arbeit. Alle neuen Falten kratze ich ins Glas, alle neuen Leberflecke für diese Langzeitaufzeichnung. Das Netzwerk winziger Besenreiser um den Filter von Miss Kathies glühender Zigarette.
    Terry sagt: »Ein Wort der Warnung, Miss Kath.« Er schlürft seinen verdreckten Champagner und sagt: »Wenn ich Ihnen raten darf. Sie müssen vorsichtig sein …«
    Wie Terry erklärt, haben allzu viele Stars in vergleichbarer Situation ihre Türen einem jungen Mann oder einer jungen Frau geöffnet, jemandem, der einfach dasaß und zuhörte und lachte. Die gespannte Aufmerksamkeit mochte ein Jahr oder einen Monat lang anhalten, am Ende aber ist noch jeder junge Bewunderer verschwunden und in ein anderes Leben unter Leuten seines Alters zurückgekehrt.
    Die junge Frau hat geheiratet und sich

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