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Diva (DE)

Diva (DE)

Titel: Diva (DE) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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ihr Gesicht faltenfrei, in ihren Augen glitzern Tränen. Exakt dieselbe Vorstellung hat Miss Kathie vorigen Monat gegeben, als sie den Preis für ihr Lebenswerk vom Denver Independent Film Circle entgegengenommen hat. Gesten und Mimik genau wie jetzt.
    Gleich darauf reicht Miss Kathie der Schwester das Bündel zurück, das Baby, sie schüttelt den Kopf, rümpft ihre Filmstarnase und sagt: »Ich denke darüber nach …«
    Als die Nonne die Treppe zum Haus hinaufkommt, schiebt Miss Kathie zwei Finger in die Hosentasche und zieht ein weißes Kärtchen hervor … Sie hält das Rougemuster von Honeyed Sunset an die rosa Wange des Engelchens, vergleicht beides ganz genau, schüttelt ausdruckslos lächelnd den Kopf und sagt: »Beißt sich.« Miss Kathie seufzt und sagt: »Wir haben bereits die Zierleisten gestrichen. Drei Schichten.« Sie hebt ihre Filmstarschultern und erklärt der Nonne: »Sie verstehen …«
    Miss Kathie beugt sich dicht über das schläfrige Gesicht des nächsten Neugeborenen und schnüffelt. Mit einem Zerstäuber sprüht sie L’Air du Temps auf die zarten Lippen und Wangen, worauf das kleine Ding zu krähen anfängt. Miss Kathie weicht zurück und schüttelt den Kopf. Nein.
    Als Miss Kathie sich etwas zu weit über das nächste glucksende Kindchen beugt, fällt heiße Asche von ihrer Zigarette, und schon gibt es hektisches Gezappel und Quieken. Es riecht nach Urin und versengter Baumwolle. Als hätte man ein Bügeleisen zu lange auf einem mit Ammoniak getränkten Kopfkissen stehen lassen.
    Ein weiterer Findling kommt, eine Spur zu blass für die neuen Gardinen im Kinderzimmer. Miss Kathie hält ein Stoffmuster neben das sich windende Bündel und sagt: »Ziemlich exakt Persimone , aber nicht ganz Kirschbombe …«
    Die Klingel geht den ganzen Nachmittag. Den ganzen Tag mit »Nachwuchs-Shoppen« verschwendet, wie Hedda Hopper das nennt. »Bébé browsing «, um es mit Louella Parsons zu sagen. Eine endlose Parade von Secondhand-Bälgern und ungewollten enfants . Ein steter Strom von Säuglingsschwestern, Nonnen und Adoptionsvermittlern, jede von ihnen rot im Gesicht und mit Stielaugen, wenn sie die rosa beschmierte Hand von Miss Kathie schütteln. Und jede brabbelt: Piep, gluck, gröl … Raymond Massey . Eine Montage in schnellen Schnitten.
    I-aah, kläff, summ  … James Mason .
    Die nächste Schwester tritt den Rückzug an, als Miss Kathie angesichts eines besonders korpulenten Engelchens fragt, ob man es auf Diät setzen und ihm die Haare färben könne.
    Die nächste Fürsorgerin winkt ein Taxi heran, als Miss Kathie einen winzigen Findling mit Max-Factor -Grundierung für Damen Nummer sechs einreibt.
    Sie schürzt die Lippen, schiebt ihr Gesicht über ein klitzekleines Kleinkind und sagt: »Wunderbar …« Stößt Zigarettenrauch aus und fügt hinzu: »Das ist Lateinisch für que bueno .«
    Miss Kathie hält jedes einzelne Kind in den Vorsaalspiegel, hebt es hoch, knuddelt sein verkniffenes kleines Gesicht und beobachtet die Wirkung, als seien diese Waisen immer nur eine neue Handtasche oder ein Bühnenrequisit.
    Miau, quäk, quiek  … Janis Paige .
    Noch ein kleiner Balg, den sie mit Lippenstift beschmiert.
    Noch einer, Miss Kathie beugt sich zu dicht, zu hastig über das Kleine und bekleckert es mit dem eiskalten Boodles -Gin ihres Martinis.
    Noch einer, sie mustert ihn skeptisch und pult mit ihren langen glänzenden Fingernägeln an einem Muttermal auf seiner glatten rosa Stirn. »Wie die Spanier sagen …«, sagt sie, »qué será será .«
    Dieses »Kinder-Kasting«, wie Cholly Knickerbocker schreiben würde, geht den ganzen Nachmittag. Kinderwagen aller Art stauen sich bis fast zur nächsten Straßenecke. Eine Selbstbedienungstheke verlassener Babys, Ergebnisse ungeplanter Schwangerschaften, Früchte gebrochener Herzen, pummelige rosa Souvenirs von Vergewaltigungen, Promiskuität und Inzest. Unachtsamkeit. Weggeworfene Flaschenkinder, Überbleibsel von Scheidungen, ehelicher Gewalt und tödlichen Krankheiten. Als der Pinsel, die rosa Borsten in meiner Hand längst steif geworden sind, kommen immer noch Babys, jedes ein Beweis für eine unkluge Entscheidung. Schlafendes oder schreiendes Treib- und Strandgut, Überbleibsel dessen, was einmal für wahre Liebe gehalten worden war.
    Miss Kathie nimmt jedes unschuldige Kindchen auf den Arm und posiert damit vor dem Vorsaalspiegel. Immer dieselbe Szene, immer wieder. Im Profil von rechts, von links. Lächeln übers ganze Gesicht, mit den

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