Diva (DE)
es doch nur so gewesen wäre.‹«
Die idealisierten Katherine und Webster umturteln einander, und die Off-Stimme sagt: »›Ich knöpfte ihr Valentino -Kleid im Rücken zu, bot ihr meinen Arm und geleitete sie aus dem Schlafgemach die Treppe ihres eleganten Wohnsitzes hinunter auf die belebte Straße, wo ich ein öffentliches Verkehrsmittel heranzuwinken gedachte.‹«
Die idealisierten Liebenden gleiten Hand in Hand aus dem Boudoir die Treppe im Stadthaus hinunter, schweben durch den Vorsaal und die Eingangstreppe hinab auf den Bürgersteig. Im Gegensatz zu ihren trägen Bewegungen rast der Verkehr auf der Straße, Lastwagen und Taxis, mit bedrohlichem Gebrüll an ihnen vorüber.
»›Als die Fahrzeuge an uns vorbeieilten‹«, liest die Off-Stimme, »›so schnell, dass sie zu einem ununterscheidbaren Strom wurden, sank ich am Bordstein auf ein Knie.‹«
Der idealisierte Webb kniet vor der idealisierten Miss Kathie.
»›Ich nahm ihre grazile Hand und fragte, ob sie – die glorreichste Königin der Theaterkultur – sich herablassen könnte, mich, der ich bloß ein vermessener Sterblicher bin, zu heiraten…‹«
In Weichzeichner und Zeitlupe hebt der idealisierte Webb die Hand der idealisierten Katherine hoch und höher, bis ihre langen glatten Finger seine gespitzten Lippen berühren. Er drückt einen Kuss auf die Finger, auf den Handrücken, in die Handinnenfläche.
Die Off-Stimme fährt fort: »›In diesem Augenblick unserer höchsten Glückseligkeit stolperte meine geliebte Katherine – das einzige echte Ideal des zwanzigsten Jahrhunderts – von dem tückischen Bordstein …‹«
In Echtzeit sehen wir eine chromglänzende Stoßstange und den Kühlergrill darüber aufblitzen. Wir hören Bremsen kreischen und Reifen quietschen. Einen lauten Schrei.
»›… und stürzte‹«, liest die Off-Stimme, »›direkt vor einen vorbeirasenden Autobus.‹«
Miss Kathies Off-Stimme liest weiter aus Sklave der Liebe vor: »›Ende.‹«
Kläff, muh, miau … Schlussvorhang.
Knurr, brüll, oink … Bild wird schwarz .
2. AKT, ZWEITE SZENE
Webb hatte vor, sie an diesem Abend zu töten. Für heute Abend hatten sie einen Tisch im Cub Room reserviert, zusammen mit Alla Nazimowa, Omar Sharif, Paul Robeson und… Lillian Hellman . Geplant war, den Nachmittag gemeinsam zu verbringen, sich dann umzuziehen und ein Taxi zum Restaurant zu nehmen. Miss Kathie reicht mir das Manuskript und sagt, ich soll es wieder in Webbs Koffer zurückschmuggeln, es unter den Hemden, aber über den Schuhen fest in eine Ecke stopfen.
Diese Szene beginnt mit einer Totale des Schachpavillons auf den Kinderberg -Felsen. Aus dieser Entfernung gesehen schlendern meine Miss Kathie und ich als zwei winzige Figuren den Weg vom Pavillon herunter, Zwerge vor den Wolkenkratzern im Hintergrund, verloren in der gewaltigen Landschaft, doch unsere Stimmen sind klar und deutlich zu hören. Schweigen hat sich über die Geräusche und Sirenen der Stadt gelegt.
Wir sind auch aus dieser Entfernung deutlich als die einzigen Gestalten zu erkennen, die fortwährend zu zweit nebeneinander gehen. Immer im Zentrum dieser extremen Totalen. Um uns herum sieht man einzelne Dauerläufer, Menschen auf Rollschuhen und Spaziergänger, während Miss Kathie und ich in gleichmäßigem Tempo durch das Blickfeld schreiten, zwei Pünktchen, die sich wie eine Einheit in gerader Linie und mit identischen langsamen Schritten fortbewegen. Zusammen. Im Gleichschritt.
Unsere Zwillingspünktchen krabbeln durch die Totale, und Miss Kathies Stimme sagt: »Wir können nicht zur Polizei gehen.«
Meine Stimme antwortet mit der Frage: »Warum nicht?«
»Und wir dürfen auch niemandem von der Presse etwas davon erzählen«, sagt Miss Kathie.
Ihre Stimme fährt fort: »Ich habe nicht vor, mich durch einen Skandal demütigen zu lassen.«
Es ist kein Verbrechen, einen Artikel über das Ableben eines Menschen zu schreiben, sagt sie, besonders nicht wenn es um einen Filmstar geht, eine Person des öffentlichen Lebens. Natürlich könnte Miss Kathie eine einstweilige Verfügung gegen Webb erwirken, wenn sie behauptet, er habe sie misshandelt oder bedroht, aber dann käme diese schmutzige Geschichte ans Licht der Öffentlichkeit. Eine alternde Filmdiva, hinters Licht geführt und dazu verleitet, sich die Haare zu färben, Diät zu machen und durch die Nachtklubs zu ziehen – da sähe sie ja aus wie der tattrige Trottel aus der Thomas-Mann -Novelle.
Wenn Webb
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