Diva (DE)
leben. Die Lösung ist… einfach nicht zu sterben.
Und Miss Kathie schiebt das Manuskript über das Schachbrett auf mich zu und sagt: »Ach, Hazie, wenn das nur so einfach wäre.«
In der Mitte des Titelblatts lese ich:
Sklave der Liebe: Intime Memoiren
Mein Leben mit Kate Kenton
Copyright und Autor:
Webster Carlton Westward III
Das Buch muss nicht zu Ende geschrieben werden, sagt Miss Kathie. Dieser Entwurf enthält bereits ein letztes Kapitel. Sie zieht den Packen wieder auf ihre Seite des Tischs, dreht ihn um und legt die letzten paar Seiten offen vor sich hin. Das ist der Schluss, sie senkt die Stimme zu einem leisen Flüstern und beginnt vorzulesen: »›Am letzten Tag ihres Lebens kleidete Katherine Kenton sich mit besonderer Sorgfalt an …‹«
Wie alte Männer auf Uhren schlagen, um sie anzuhalten.
Meine Miss Kathie flüstert mir die Einzelheiten zu, wie sie, und zwar bald, sterben wird.
2. AKT, ERSTE SZENE
Katherine Kenton liest im Off weiter. Zunächst vernehmen wir noch die Geräuschkulisse des Parks, das Geklapper der Pferdekutschen und die Dampforgel des Karussells, doch allmählich klingen diese Geräusche ab. Gleichzeitig blenden wir über zu Miss Kathie, die mit Webster Carlton Westward III in ihrem Bett liegt. Im Off hören wir noch Miss Kathie vorlesen, ihre Stimme eine akustische Überleitung aus der vorhergehenden Szene: »›… Am letzten Tag ihres Lebens kleidete Katherine Kenton sich mit besonderer Sorgfalt an …‹«
Die Off-Stimme liest weiter aus Webbs »Lügographie« vor: »›Unser Liebesspiel hatte etwas Schmerzliches. Scheinbar ohne besonderen Anlass umklammerten die Muskeln ihrer reizenden, erfahrenen Vagina den festen Speer meiner Liebe und saugten ihm die letzten leidenschaftlichen Säfte aus. Zwischen unseren nassen, erschöpften Leibern, unseren Lippen, unseren Geschlechtsteilen hatte sich bereits, einer beklemmenden Metapher gleich, ein Vakuum gebildet, das uns eine zusätzliche Kraftanstrengung abverlangte, uns voneinander loszureißen.‹«
Miss Kathies Off-Stimme liest weiter aus dem letzten Kapitel von Sklave der Liebe vor: »›Selbst unsere Arme und Beine wollten sich nicht entknoten, sich nicht aus dem Gewirr feuchter Bettlaken entflechten lassen. Wir lagen zusammengeschweißt von den Adhäsionskräften unserer Körperflüssigkeiten. Unsere Individualitäten verklebt zu einem einzigen lebendigen Organismus. Die reichlich strömenden Ergüsse umfingen uns wie eine zweite Haut, während wir uns in der nachklingenden Ebbe unserer sinnlichen Vereinigungen umschlungen hielten.‹«
Starke Sternfilter lassen die Boudoirszene verschwommen erscheinen. Fast als ob dichter Nebel oder Dunst das Schlafzimmer erfüllt. Die zwei Liebenden bewegen sich in verträumter Zeitlupe. Nach wenigen Sekunden erkennen wir, es ist Miss Kathies Schlafzimmer, aber der Mann und die Frau sind jüngere, idealisierte Versionen von Webster und Katherine. Geziert wie Tänzer entsteigen sie dem Bett – die Frau bürstet ihr Haar und rollt Strümpfe an ihren Beinen hoch, der Mann klappt seine Manschetten um, setzt Manschettenknöpfe ein und bürstet Flusen von seinen Schultern – mit den übertriebenen, stilisierten Gesten von Agnes des Mille oder Martha Graham .
Miss Kathies Stimme liest vor: »›Allein die verlockende Aussicht auf ein exklusives Dinner im Cub Room , den gemeinsamen Genuss von Hummer Thermidor und Steak Diane in der geistreichen Gesellschaft von Omar Sharif, Alla Nazimova, Paul Tobeson, Lillian Hellman und Noah Beery vermochte uns zu bewegen, das Bett zu verlassen und uns für den vor uns liegenden aufregenden Abend anzukleiden.‹«
Unterdessen kleiden sich die Liebenden an. Sie scheinen einander zu umkreisen, sinken sich ein ums andere Mal in die Arme und streben wieder auseinander.
»›Während ich meinen zweireihigen Smoking von Brooks Brothers anlegte‹«, liest die Off-Stimme vor, »›malte ich mir eine endlose Reihe solcher Abende aus, die sich in unsere gemeinsame Zukunft der Liebe erstreckte. Als Katherine mir meine weiße Frackschleife band, sagte sie: ‚Du hast den größten, talentiertesten Penis aller Männer auf Erden.‘ An diesen Augenblick erinnere ich mich sehr genau.‹«
Die Off-Stimme fährt fort: »›Als sie mir eine weiße Orchidee ins Knopfloch steckte, sagte Katherine: ‚Ich würde sterben, wenn du nicht mehr meine salzigen Tiefen auslotest. ‘
»›Rückblickend denke ich‹«, liest Miss Kathies im Off, »›Wenn
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