Diva (DE)

verlogene Dreckskerl, drückt ihr einen Kuss auf die Stirn.

2. AKT, DRITTE SZENE
     
    Schnitt in den Innenraum eines feudalen Broadway-Theaters. Die Szene zeigt zu Beginn unter anderem die Vorbühne, der Vorhang hebt sich; am unteren Bildrand sieht man die gekämmten Köpfe und Blasinstrumente der Musiker im Orchestergraben. Der Dirigent, Woody Herman , hebt seinen Stock, und die Luft füllt sich mit einer brausenden Ouvertüre von Oscar Levant , arrangiert von André Previn . Weitere Musicalnummern von Sigmund Romberg und Victor Herbert . Am Klavier Vladimir Horowitz . Der Vorhang schwebt höher, und wir sehen Revuetänzerinnen und -tänzer, darunter Ruth Donnelly, Barbara Merrill, Alma Rubens, Zachary Scott und Kent Smith , die an Bord des Schlachtschiffs USS Arizona , entworfen von Romain de Tirtoff , das in der Bühnenmitte vertäut ist, die Beine nach vorn schmeißen. Die japanischen Admirale Isoroku Yamamoto und Hara Tadaichi werden von Kinuyo Tanaka beziehungsweise Tora Teje getanzt. Andy Clyde legt als Leutnant Kazuo Sakamaki , der offizielle erste japanische Kriegsgefangene, einen furiosen Buck-and-Wing aufs Parkett. Anna May Wong steppt ein Solo in der Rolle des Kapitäns Mitsuo Fuchida , und Tex Ritter springt für General Douglas MacArthur ein. Mit Emiko Yakumo und Tia Xeo als Korvettenkapitän Shigekazu Shimazaki und Kapitän Minoru Genda , die Haupttänzer unter den rangniederen japanischen Offizieren.
    Choreographie von muh, gluck, kläff  … Léonide Massine .
    Inszenierung von zwitscher, i-aah, miau  … W. Mac-Queen Pope .
    Zum Stampfen des Orchesters explodiert auf der rechten Bühnenseite die USS Oklahoma dicht oberhalb der Wasserlinie und beginnt zu sinken. Brennender Treibstoff strömt nach links, breitet sich rasend schnell nach hinten aus und setzt die USS West Virginia in Brand. Vorne bohrt sich ein japanischer Nakajima -Torpedo in den Rumpf der USS California .
    Japanische Zero -Kampfjäger nehmen die Tänzer unter Beschuss und mähen sie nieder. Aichi -Bomber stürzen sich auf Pearl White und Tony Curtis , die in einer Fontäne aus rotem Ahornsirup zerplatzen, während hinter den Rampenlichtern die Periskope japanischer Mini-U-Boote hin und her fahren.
    Als die Arizona zu kentern beginnt, sehen wir Katherine Kenton am Backbord-Geschütz in Stellung gehen, nachdem sie die Leiche des Kanoniers aus dem Sitz gezerrt hat. Auf ihrer Brust steht in den olivgrünen Stoff gestickt: GEFREITE HELLMAN. Meine Miss Kathie schleppt den toten Helden zur Seite und legt ihm ihre Handflächen auf die Brust. Um sie herum explodieren Granaten, als Miss Kathies Lippen ein stummes Gebet murmeln. Die Augenlider des toten Matrosen, gespielt von Jackie Coogan , die Wimpern, sie flattern. Der junge Mann schlägt die Augen auf und blinzelt: Er sieht, jetzt in Miss Kathies Armen, zu ihren berühmten veilchenblauen Augen auf und sagt: »Bin ich im Himmel?« Er sagt: »Bist du… Gott?«
    Die Zeros kreischen vorüber, unter ihnen versinkt die Arizona im öligen, brennenden Wasser von Pearl Harbor , und Miss Kathie lacht. Sie küsst den Jungen auf die Lippen und sagt: »Knapp daneben ist auch vorbei … ich bin Lillian Hellman .«
    Vor dem nächsten Ton des Orchesters springt Miss Kathie auf und rammt ein Artilleriegeschoss in die schwere Bordkanone. Dann kurbelt sie das riesige Geschützrohr in Stellung, visiert einen im Sturzflug nahenden Aichi-Bomber an, bis sie ihn im Fadenkreuz hat. Ihr weißer Matrosenanzug kunstvoll befleckt und zerfetzt von Adrian Adolph Greenberg , ihre blutenden Wunden durch funkelnde karmesinrote Pailletten und Glasschmuck angedeutet, die um jedes Einschussloch angenäht sind. Miss Kathie singt die ersten Takte ihres großen Songs und feuert die Granate ab, die das feindliche Flugzeug in einem grellen Blitz aus Pappmaché vom Himmel holt.
    Im Off schreit jemand »Halt!« Eine Frauenstimme, lauter als die Geigen und Waldhörner, die Raketen und MG-Salven, schreit: »Aufhören, verdammte Scheiße!« Eine Frau stampft durch den Mittelgang des Theaters und fuchtelt mit einem Drehbuch, fest zusammengerollt wie der Schlagstock eines Polizisten.
    Das Orchester verstummt. Die Stimmen der Sänger ersterben. Die Tänzer kommen zum Stillstand, und die Kampfjets hängen an unsichtbaren Drähten gelähmt in der Luft.
    Im Gegenschuss von der Vorbühne aus erkennen wir in der schreienden Frau Lillian Hellman selbst, sie sagt: »Ihr verfälscht die Geschichte! Heilige Anna Q. Nilsson , steh mir bei  –