Langsam und sorgfältig rollte Camilla den geräucherten Lachs zwischen ihren Fingern. Normalerweise kam sie nicht auf die Idee, sich in die Küche zu stellen. Und schon gar nicht darauf, ihre Zeit damit zu verschwenden, sich ein Mode-Rezept aus einer In-Zeitschrift empfehlen zu lassen und daran ihre spärlich ausgeprägten Kochkenntnisse zu erproben. Wobei ‚Kochkenntnisse‘ maßlos übertrieben war. Ebenso übertrieben, wie die Annahme, ihre aktuelle Tätigkeit habe etwas mit Kochen zu tun. Eigentlich fühlte sie sich mehr an Kinderspiele im Matsch oder Sandkasten erinnert, als sie den Quark in einer Schüssel mit der hastig abgemessenen Menge Sahne und der Messerspitze Meerrettich verrührte, die ihm den pikanten Geschmack verleihen sollte. Hastig, weil sie wie immer zu spät dran war und vor allem zu wenig Zeit veranschlagt hatte, um sich mit dieser ungewohnten Tätigkeit auseinanderzusetzen. Herrgott, es konnte doch wohl nicht so schwer sein, etwas Quarkcreme abzuschmecken, auf dünne Scheiben geräucherten Lachs zu streichen und dann das Ganze zu handlichen Röllchen zu formen, die in dekorative Scheiben geschnitten und auf Salatblättern angerichtet einen exzellenten Blickfang bieten sollten. Leider war es das doch. Camilla besaß für gewöhnlich das Privileg, dass sie ihre Nahrungsaufnahme im Vorbeigehen erledigen konnte, während eines Geschäftsessens oder mit Hilfe eines Croissants, den sie sich neben dem Kaffee im Pappbecher gönnte. Ansonsten halfen Tiefkühlgerichte und Lieferservice über die Runden. Camilla war nicht wählerisch und hatte zudem den Vorteil, dass sie sich nicht allzu sehr für ihr leibliches Wohl oder gar für die Kunst des Kochens interessierte. Eine Frau in ihrer Position hatte anderes zu tun. Aber manchmal warf das Schicksal auch einer Frau wie ihr Knüppel zwischen die Beine, mit denen sie nicht gerechnet hätte. Und das nicht im anzüglichen Sinne. In Camillas Fall handelte es sich um ein ungünstiges Zusammentreffen widriger Umstände. Wer konnte auch ahnen, dass ihr Kollege Thorsten die Diskussion, die sie mit ihrer Assistentin betreffend der Vor- und Nachteile eines mehrgängigen Hochzeitsmenüs geführt hatte, derart auffasste, als sei Camilla eine Spezialistin in Bezug auf jegliche Fragen der Ernährung. Die Wahrheit bestand lediglich darin, dass Camilla ein Talent mit Worten besaß, das in Verbindung mit über Jahre erprobter Überzeugungskraft durchaus den Eindruck erwecken konnte und zumeist auch sollte, als kannte sie sich in jedem gewählten Bereich, über den sie sprach, besser aus, als jeder andere. So hatte sie nicht mit Tipps gegeizt, die der zukünftigen Braut helfen sollte, keine unverzeihlichen Fehler in der Zusammenstellung des Festmahls zu begehen. Denn auch wenn Camilla in den Kenntnissen der technischen Zubereitung von Speisen ausgesprochene Mängel aufwies, so war sie doch oft genug zu entsprechenden Veranstaltungen geladen gewesen, um eine Blick für Abfolge, geschmackliche und farbliche Abstimmung und ebenso rasch aufflackernde wie wieder untergehende Modetrends zu entwickeln. Ganz davon abgesehen, dass es in diesen Tagen Pflicht war, sich mit den gesundheitlichen Aspekten der Nahrungsaufnahme, der Addition und Subtraktion von Gewürzen, Kräutern und geschmacksgebender
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