Diverses - Geschichten
Hand tastete sich über ihren Rücken, bis sie auf ihrer Schulter liegen blieb, als wollte sie ihr Trost spenden. Vielleicht war es diese Geste, die Hanna dazu bewog weiter zu sprechen.
“Nach dem Tod meiner Mutter ist in ihm etwas zerbrochen, in uns beiden. Aber er hat sich die Schuld gegeben, und ich glaube nicht, dass er das jemals vollkommen verwinden wird.”
“Es gibt keinen Riss, der nicht irgendwann wieder geklebt werden könnte. Ich meine, du hast es doch auch geschafft, oder?”
Hanna nickte und murmelte leise: “Es war nicht leicht. Und für ihn vielleicht noch schwerer, zumal ich ihm nicht verzeihen konnte, und vermutlich auch nie dazu in der Lage sein werde.”
“Was meinst du damit? War es ein Unfall?”
Hanna schüttelte den Kopf, drehte sich ihr wieder zu und streichelte das dunkle Haar, das frei über ihr schwebte.
“Ich kann nicht darüber reden.”
Ein kleines Lächeln zuckte wieder um ihre Mundwinkel. “Weißt du, dass mich deine Augen im ersten Augenblick an seine erinnert haben?”
Eleonore grinste. “Muss ich mir jetzt Sorgen machen? Da gibt es doch diese griechische Sage.”
Hanna zog spielerisch an ihren Locken. “Von Ödipus bin ich aber hoffentlich weit entfernt, und außerdem siehst du vollkommen anders aus als er, und deine Augen sind viel heller.”
“Hm.” Eleonore setzte ihr einen Kuss auf die Nasenspitze. “Also, für ihn will ich nur hoffen, dass er Ähnlichkeit mit dir hat.”
Hanna grinste dankbar und sah sie mit plötzlicher Ernsthaftigkeit an. “Weißt du, dass ich zum ersten Mal seit langem an ihn denken kann, ohne zu verzweifeln?” Sie umschlang Eleonores Nacken und zog sie zu sich herunter.
“Das habe ich dir zu verdanken”, flüsterte sie, bevor sich ihre Lippen sehnsüchtig trafen.
*
“Du liebe Zeit, wenn wir das nur geahnt hätten”, klagte Hanna, während sie erschöpft gegen den Wind ankämpfte.
“Wir haben es gleich geschafft, nur noch ein kleines Stück,” schrie Eleonore, um das Tosen der unkontrolliert herumwirbelnden Blätter und Zweige zu übertönen, die gerade in diesem Moment von einer Naturgewalt bewegt wurden, die noch nicht einmal angefangen hatte, ihre Stärke zu demonstrieren.
Die Wolken rasten grau und bedrückend tief über ihren Köpfen hinweg. Der für gewöhnlich so idyllische Wanderweg verbarg sich unter gelben Wolken aus Staub und Sand, die durch die Kraft der Elemente ihre Bodenhaftung verloren hatten.
Hanna hustete und verfluchte sich dafür auf die Idee mit dem Wochenendausflug gekommen zu sein. Obwohl, wenn sie ehrlich war, ihre Idee war es eigentlich gar nicht gewesen. Sie hatten nur so lange davon geredet, bis sie davon überzeugt war, dass eine Wanderung genau das sei, was ihr noch fehlte.
Von wegen. Sie versuchte, das Gewicht des Rucksackes etwas gleichmäßiger auf ihren Schultern zu verteilen und bemühte sich, mit ihrer Freundin Schritt zu halten. Das war definitiv das letzte Mal, dass sie sich freiwillig in die Natur begab. Zu allem Überfluss hatte Eleonore ihr versichert, dass das Wetter halten werde. Mittlerweile bezweifelte Hanna, dass sie überhaupt nachgesehen hatte. Einen Sturm, wie er sich gerade anbahnte, hätte man doch kaum übersehen dürfen. Sogar eine Stadtpflanze wie sie erkannte, dass es sich um mehr als ein kurzes Sommergewitter handelte. Wütend biss sie sich auf die Lippen. Von jetzt an würde sie es sich zweimal überlegen, bevor sie die Großstadt so mir nichts dir nichts verließ.
“Dort ist es”, erklang Eleonores Stimme undeutlich durch das mittlerweile beinahe ohrenbetäubende Brausen. “Dort drüben.”
Hanna atmete erleichtert auf und versuchte, sie einzuholen, nahm doch die Dunkelheit stetig zu, und sie vermeinte, bereits erste Wassertropfen zu erahnen.
“Endlich!” Eleonore schloss die Tür der Wanderhütte, deren Schlüssel sie sich vom Verwalter des Nationalparks besorgt hatte, mit einem triumphierenden Grinsen auf, und zog Hanna hinein. Keinen Moment zu früh, denn genau in diesem Augenblick entschied sich der Sturm, mit einem Donnerschlag loszubrechen. Hanna fuhr zusammen, suchte Eleonores Augen, die ihr in der plötzlich eingetretenen Finsternis, wie ein weit entferntes Funkeln erschienen, frei von Angst, im Gegenteil, beinahe belustigt über das kleine Abenteuer.
Einen Moment später stand die Dunkelhaarige bereits hinter ihr, löste ihre Gurte, und half ihr, das Gepäck auf dem Boden abzustellen.
Hanna reckte sich, warf einen besorgten Blick aus
Weitere Kostenlose Bücher