Diverses - Geschichten
dem verriegelten Fenster, an das jetzt mit roher Gewalt der Regen peitschte. “Wenigstens sind wir nicht nass geworden”, entfuhr es ihr. Eleonore grinste. “Jetzt sehen wir erst einmal, ob wir hier Licht haben.” Hanna nickte skeptisch und blickte überrascht auf, als eine einzelne Glühbirne in der Mitte des Raumes aufflackerte. “Hey, vielleicht haben wir doch noch Glück heute”, meinte sie hoffnungsvoll und nahm ihre Umgebung sorgfältig in Augenschein.
“Ist doch ein hübsches Plätzchen.”
“Das finde ich auch”, stimmte Eleonore ihr zu und legte einen Arm um ihre Schultern. “Und manchmal stelle ich mir vor, wie es wäre, immer so zu leben.”
Hanna wandte sich ihr zu, wie schon so oft, gebannt von dem Blick der Augen, die in einem verborgenen Licht zu strahlen schienen.
“Du meinst...“
Abrupt wandte sich Eleonore ab. “Lassen wir das. Ich wollte eigentlich später mit dir darüber sprechen.”
“Worüber sprechen?” Hanna folgte ihr alarmiert. “Irgendetwas stimmt doch hier nicht.”
Ihre Beunruhigung nahm zu und sie griff nach Eleonores Arm, als suchte sie eine Stütze, wollte sich versichern, dass alles in Ordnung war.
Eleonores Blick suchte den Ihren, und zum aller ersten Mal glaubte Hanna eine leichte Unsicherheit in diesen großen Augen wahrzunehmen.
Eleonore blinzelte ein wenig, und als sie ihre langen dunklen Wimpern wieder voneinander löste, war dahinter nichts als eine mutwillige Belustigung zu erkennen. “Wir werden sehen”, neckte sie, während sie sich von Hanna befreite und ihren Rucksack öffnete.
“Erst einmal lass uns zusehen, dass wir diese Nacht trocken und warm überstehen.” Hanna konnte nicht anders, als zurückgrinsen. Dennoch, das Gefühl von etwas Düsterem, das unmittelbar bevorstand, ließ sich nicht mehr abschütteln.
“Lässt sich nicht leugnen, dass der Sommer langsam zu Ende geht.” Sie lauschte abwesend dem Rauschen des Regens, der vereint mit der Kraft des Sturmes ihren Unterschlupf umtoste.
“Fürchtest du dich?” Eleonore zog sie zärtlich an sich. Hanna schüttelte den Kopf und lehnte sich an sie. Erstaunt über ihre eigene Reaktion, oder besser gesagt über das Ausbleiben derselben, jeglichen Gefühls von Ärger oder Verletzlichkeit aufgrund deren Annahme, schmiegte sie sich in die Arme der Freundin, ließ es zu, dass sie ihr Schutz und Sicherheit boten.
Eleonore vergrub ihr Gesicht in Hannas Haaren und seufzte. Nach allem, was sie erlebt, was sie getan hatte, war sie nun zunehmend und zugleich eindeutig verwirrt aufgrund der Gefühle, die diese Frau in ihr auslöste. Und nicht nur das, auch ihr Handeln wurde beeinflusst von Gedanken und Wünschen, die sie nicht steuern konnte, die ein Eigenleben entwickelten, eine Richtung verfolgten, die sie vor sich selbst leugnete.
Sogar dieser Ausflug, bis ins kleinste Detail vorbereitet, diente nur zu dem Zweck ihr zwei Wege zu öffnen, zwei Wege, die unterschiedlicher nicht sein konnten, und von denen ihr Herz so klar wie niemals zuvor, nur den einen akzeptierte, einen Weg, den sie niemals zuvor beschritten, von dem sie niemals gedacht hätte, dass sie ihn jemals wählen könnte.
“Ich liebe dich, Hanna”, murmelte sie und presste ihre Lippen in die goldenen Locken. “Und egal, was du jemals über mich erfahren solltest, das musst du mir glauben.”
Hanna bebte. Sie wusste nicht, ob das Zittern durch die Kälte, die allmählich durch die Ritzen der Hauswand kroch, ausgelöst wurde oder durch Eleonores Worte. Die enthielten eine ungewohnte Ehrlichkeit, die Ahnung von etwas Bedrückenden, von einer Erfahrung, die sie nicht machen wollte.
“Du musst mir nichts sagen, dass du lieber für dich behalten würdest”, versuchte sie, das über ihr schwebende Unheil aufzuhalten. “Wirklich, Eleonore.” Sie drehte sich um, und verschloss der anderen den Mund mit einem Kuss. “So wie du bist, liebe ich dich, und daran wird nichts etwas ändern.”
Eleonore erwiderte dankbar den Kuss. Wie hatte es nur soweit kommen können? Sie konnte sich nicht daran erinnern, schon jemals in so einem Gefühlschaos gesteckt zu haben. Eigentlich gab es nichts Einfacheres für sie, als den Verstand die Überhand über alles andere gewinnen zu lassen, und ihre Entscheidungen aufgrund des Selbsterhaltungstriebs zu fällen. Zugegeben, wenn sie mit Männern zu tun hatte, war es in der Regel ohnehin einfacher, aber dennoch, mit dieser Lage war nichts zu vergleichen, das sie bereits erlebt hatte.
Sie
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