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Diverses - Geschichten

Diverses - Geschichten

Titel: Diverses - Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Lenz
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konnte es selbst nicht fassen, dass es erst Anfang diesen Sommers gewesen war, dass man ihr diesen Auftrag erteilt hatte, die Aufgabe sich um Hanna Wiesengrund “zu kümmern”. Diese Aufgabe hatte ihr Leben auf den Kopf gestellt, sie in ein emotionales Wrack verwandelt. Und nun war sie bereit, alles hinzuwerfen, Verbindungen, die ihr unzählige Male das Leben gerettet hatten, zu kappen, und sich einem unwägbaren Risiko auszusetzen. Und das alles für dieses blonde Geschöpf, das eigentlich nichts von ihr wusste, das sie verabscheuen würde, sollte die Wahrheit ans Licht kommen, und dem sie dennoch nicht widerstehen konnte.
     
    Endlich lösten sie ihre Lippen atemlos voneinander, waren gezwungen Luft zu holen, und ließen sich, immer noch fest umschlungen, auf das zerschlissene Sofa sinken. Der Sturm tobte weiter, und doch fühlte sich Hanna ruhiger, selbstsicherer, mit der Erde und dem Boden verhaftet. Sie strich Eleonore liebevoll die dunklen Locken aus dem Gesicht, befestigte sie hinter ihren Ohren, an denen sie vorsichtig zu knabbern begann. Eleonore schloss die Augen.
    “Ich hatte ganz vergessen, dass auch ein herbstliches Wetter Vorteile bietet. Es geht doch nichts darüber, sich vor einem Unwetter zu verkriechen, sofern man die richtige Gesellschaft hat.”
    Hanna kicherte leise. “Du bringst mich da auf etwas. Ich habe mir schon immer gedacht, dass es doch einen Grund dafür geben muss, dass die Leute Richtung Norden ziehen.”
    Eleonore setzte sich mit einem Ruck auf, und starrte sie an. “Du denkst manchmal daran umzuziehen?”
    Hanna zuckte mit den Schultern. “Wer tut das nicht hin und wieder. Ich meine...“, sie zögerte. “Ich liebe den Süden, wirklich, aber manchmal denke ich auch, dass ich lange genug dort gelebt habe. Da sind Dinge, an die ich nicht unbedingt ständig erinnert werden möchte.” Sie erwiderte Eleonores intensiven Blick. “Das kannst du vermutlich nicht so gut nachempfinden, du scheinst es nie lange an einem Ort auszuhalten, soweit ich dich verstanden habe.”
     
    Eleonore senkte den Kopf und nickte, setzte schließlich zögernd hinzu: “Könntest du dir denn so ein Leben vorstellen? Ein Leben voller ständiger Veränderungen, ohne Konstante?”
    Hanna spürte den Ernst in ihrer Frage, erfasste in Sekundenschnelle die Unsicherheit in ihren Augen und hielt die spontane Antwort, die ihr auf der Zunge gelegen hatte, zurück.
    “Das käme wohl auf die Umstände an”, sagte sie schließlich leise. “Es hätte wohl ebenso seine Vorteile, wie auch seine Nachteile. Man müsste sich sicher erheblich umstellen.”
    “Aber man könnte Dinge sehen, die sich jemand, der sein Leben in vergleichbaren Gegenden verbracht hat, niemals erträumen würde.”
    Hannas Blick weitete sich. “Du denkst wirklich daran...“
    Eleonore fuhr mit ihren schlanken Fingern zärtlich über Hannas Wange, streifte ihr Kinn, bevor sie weitersprach. “Ich würde nichts lieber tun, als dir einen richtigen englischen Herbst zeigen. Es gibt nichts, das diesen Anblick übertreffen kann. Das Licht und die Farben, ich glaube, wenn ich dich einmal dort sehen könnte, sehen könnte, wie du von diesem goldenen Schein verzaubert wirst, mit dir durch die Dämmerung gehen könnte und beobachten, wie die Dunkelheit niedersinkt, ich glaube, dann hätte sich alles erfüllt, das ich mir jemals wünschen werde.”
    Sie atmete ruhig aus. “Dann könnte ich beruhigt sterben.”
    Hanna fuhr zusammen. “Was soll denn das bedeuten. Wovon redest du?”
    “Nichts, nichts”, versuchte Eleonore rasch abzulenken. “Ich bin nicht krank, wenn du das denkst. Ich habe nur in meinem Beruf hin und wieder mit dem Tod zu tun. Wahrscheinlich ist er mir deshalb stets gegenwärtig.”
    “Ich dachte, du schreibst”, fragte Hanna irritiert.
    “Das tue ich.” Eleonore wich ihr aus, versuchte sich aus der selbstgestellten Falle zu befreien, überlegte es sich dann doch mit einem Mal anders. Trotz aller Zweifel lag es nicht in ihrer Natur, die Dinge auf die lange Bank zu schieben, und diese Gelegenheit mochte so gut sein, wie jede andere.
     
    “Ich habe dir nicht alles darüber erzählt, was ich so tue, was ich getan habe. Und ich glaube auch nicht, dass ich dir jemals alles darüber erzählen werde. Trotzdem solltest du etwas wissen.”
    Eine Pause entstand, in der Eleonore vergeblich nach Worten suchte, bis Hanna ihr versichernd beide Arme um den filigranen Körper schlang und sie an sich zog.
    “Was auch immer es ist”,

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