DJ Westradio
gleichen Schritt und Tritt.
Wir Pioniere kennen sie und laufen fröhlich mit.
Gute Freunde, Gute Freunde,
Gute Freunde in der Volksarmee.
Sie schützen unsere Heimat zu Land zu Luft und auf der See.
Der Flügelmann im ersten Glied mit Stahlhelm und MPi
Als Melker der Genossenschaft betreute er das Vieh, juchhej.
Als Melker der Genossenschaft betreute der das Vieh.
Gute Freunde …
Der Rest der Klasse stimmte belustigt mit ein, und so marschierten wir laut singend auf unseren Schulhof. Alles stürmte an die Fenster, besonders die Lehrer. »Abteilung halt! Links um!« Wir standen und machten Meldung. Was für ein gelungener Auftritt! Besonders, weil man uns die Show wirklich abnahm. Nur einige wenige Lehrer erahnten die Satire. Und wie konnte es anders sein: Wir gewannen damit den Wettbewerb, und als Auszeichnung durfte unsere Klasse den Kinofilm »Plattfuß am Nil« mit Bud Spencer sehen. Nun waren wir wirklich für den Ernstfall gerüstet.
Kleinmesse und Faschos
Seit Jahrzehnten ist die Leipziger Kleinmesse, ein im Frühjahr und im Herbst stattfindender Rummel auf einer riesigen Freifläche nahe dem Zentralstadion, ein Treff für junge Menschen auf der Suche nach Zerstreuung und nicht zuletzt Promenade für zeitgeist- und modebewußte Teenager aus allen Stadtteilen. Man spaziert zwischen den Schaugeschäften entlang, futtert sich an den Freßbuden voll, macht erste Fahrversuche beim Autoscooter und läßt sich bei den verschiedenen Karussells und Berg- und Talbahnen die inneren Organe ordentlich durchschütteln. Ab Mitte der 80er Jahre gab es außerdem eine Bude, welche mehrere topaktuelle und vor allem sehr bunte Videospielautomaten aus dem Westen im Angebot hatte, neben alten mechanischen Spielautomaten aus Großvaters Zeiten. Man kann sich vorstellen, an welche Automaten man als kleiner Teenie rankam und welche von unzähligen Halbstarken umlagert wurden.
Ähnlich einem Intershop, befand sich die Kleinmesse völlig außerhalb der DDR-Gesellschaft. Hier gab es keine Lenin-Büsten als Lospreise, und nirgendwo hing ein Transparent, das die Mitarbeiter einer Geisterbahn zur Planübererfüllung auf Grundlage der Beschlüsse der SED anspornte. Das einzige, wo der DDR-Staat vielleicht noch mitredete, waren die Preise für Karussellfahrten und ähnliches. Ansonsten herrschte eine Art Kleinkapitalismus.
An den Schieß- und Losbuden gab es als Preise neben dem üblichen Jahrmarktnippes abfotografierte Poster aus dem in der DDR nach wie vor verbotenen BRAVO-Magazin. Die Fotos waren im A7-Format und paßten wunderbar in die durchsichtige Plastehülle des Personalausweises, welchen man ab dem 14. Lebensjahr immer bei sich führen mußte. Bei den nicht seltenen und meist grundlosen Ausweiskontrollen überall in der Stadt wurden diese Bilder dann regelmäßig von den Volkspolizisten rausgenommen und einem mit der Bemerkung in die Hand gedrückt, daß der Personalausweis ein Dokument sei, Eigentum der Deutschen Demokratischen Republik, und solche Sachen darin nichts zu suchen hätten. Waren die Vopos wieder abgetrabt, schmückte man seinen Ausweis wieder mit den Fotos seiner Lieblingsbands und mit Paßbildern wild frisierter Kumpels – bis zur nächsten Ausweiskontrolle.
Das bunte Treiben auf der Kleinmesse zog in den 80ern neben zahllosen Stinos, Poppern und Halbstarken auch Jugendliche der damals angesagten Szenen wie Punks, New Waver und Gruftis an. Diese stylischen jungen Menschen trafen sich bei einem Schaugeschäft mit dem markigen Namen »Tornado«, einer horizontalen Riesenschleuder, welche von uns Teens nur die »Kotzmühle« genannt wurde.
Neben dem stundenlangen Karussellfahren, Fressen und Promenieren konnte man aber auch noch ganz andere Sachen auf dem Rummel erleben, so etwa im September 1987. Es war ein Samstagabend, die Sonne war schon untergegangen, und unsere Clique stand an der Kotzmühle. Das Schaugeschäft war dicht umlagert vongruftimäßigen Leuten und solchen, die dazugehören wollten. Musik dröhnte aus den Boxen, und das Karussell machte ebenfalls tierischen Krach. Wir fanden es wunderbar.
Zur gleichen Zeit wurde in der Innenstadt im Gewandhaus die Leipziger Herbstmesse feierlich eröffnet. Die Stadt war voller Westmanager und SED-Bonzen. Sogar Willy Stoph, sozusagen der DDR-Vizekanzler, war anwesend, und in der Innenstadt hockten hinter jedem Gebüsch Vopos und Stasi-Typen. Auf dem Hauptbahnhof traf ein Zug mit Leipziger Fußballfans ein, die von einem Auswärtsspiel zurückkamen.
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