Djihad Paradise: Roman (German Edition)
was mich betraf, ich kuschelte mich an Julian und schlief sofort ein.
Als Ice seine Pitbulls auf mich losgelassen hatte, ging mir der Arsch so was von auf Grundeis, dass ich mich die nächsten zwei Tage nicht mehr auf die Straße traute. O.k., dass Ice sich nicht linken lassen würde, war ja klar gewesen, und dass es nur eine Frage der Zeit war, bis sie mich finden würden, auch. Aber dass er mich gleich umlegen lassen wollte, das machte mich schon fassungslos.
Nur gut, dass wir in der Moschee untertauchen konnten.
»Wie lange können wir bleiben?«, hatte ich gleich am nächsten Tag den Imam gefragt.
Seine Augen, in denen eine Art Feuer glühte, sodass man nie genau wusste, ob er wütend war oder nur intensiv nachdachte, blitzten mich an. »So lange ihr wollt.«
Ich sagte darauf, nein, ich wollte etwas darauf sagen, aber ich sagte – nichts. So platt war ich vor so viel Gastfreundschaft.
»Können wir uns vielleicht irgendwie … nützlich machen?«, fragte ich und hoffte, dass er Ja sagen würde.
»Ja, du kannst beim Umbau helfen am Wochenende. Und du kannst dich noch nützlicher machen. Später. Viel nützlicher.«
Und so kam es, dass Romea, Murat und ich praktisch in die Gemeinde der »Salafiyya-Bruderschaft« einzogen. Natürlich durften Romea und ich nicht mehr im gleichen Raum schlafen, weil wir nicht verheiratet waren. Das war schon irgendwie scheiße, aber andererseits waren wir Gäste und konnten nicht einfach so gegen alle Regeln verstoßen.
Mit dem Einzug in das Hinterhaus der Gemeinde ließen wir die restliche Welt hinter uns. Schule, Eltern, Freunde – damit hatten wir ohnehin schon seit Monaten abgeschlossen. Und was mich betraf – ich vermisste das alles nicht. Im Gegenteil. Hier waren wir am Puls dessen, wonach wir immer gesucht hatten. Nach einem Sinn. Und hier war rundum nichts als Sinn.
Das Einzige, was mir nicht so wirklich gefiel, war der Umstand, dass Romea und ich uns plötzlich nur noch wenige Minuten am Tag sahen. Genau genommen nur nach dem Gebet, denn Romea war im Frauentrakt untergebracht und die Männer und die Frauen blieben weitestgehend unter sich.
Die Moschee war ein einziger großer Organismus. So eine Art Bienenstock. Der Einzelne war nicht wichtig, nur das große Ganze, das war es, was zählte. Ein Bienenstock, der Honig erzeugte nur für Allah, den Allmächtigen. Und das Großartige war, dass wir nun auch ein Teil davon waren.
Hier plätscherten die Tage nicht einfach so dahin wie draußen, hier konnte man sich nicht auf den Tag werfen wie auf eine vor sich hin dümpelnde Luftmatratze im See, um einfach nur verpeilt und stoned vor sich hin zu chillen. Hier hatte jeder Tag, jede Stunde, jede Minute einen Sinn. Der Tag gehorchte dem Metronom Allahs.
Jeder hier hatte seinen Platz, seine Aufgabe. Die einen verteidigten das System nach außen, die anderen hielten das Innere am Laufen. Ein Bienenstock eben, nur dass hier die Männchen das Sagen hatten. Und das Zentrum des Ganzen, das waren der Koran und die Hadithen, vor allem aber der Koran.
Und das Metronom tickte. Tickte den ganzen Tag. Tickte zum Fadschr, dem Gebet vor Sonnenaufgang, zum Zuhr, dem Mittagsgebet, zum ‘Asr, dem Nachmittagsgebet, zum Maghrib, dem Gebet nach Sonnenuntergang und zum ‘Ischa’, dem Nachtgebet, tickte zum Koran-Unterricht und tickte zum Lesen der Hadithen. Und davon wurde der Kopf frei. So frei und leicht. Und wenn du mal nicht weiterwusstest, dann konntest du immer einen deiner Brüder fragen, die es vielleicht wussten, und wenn nicht, jemanden kannten, der es wusste. Oder du gingst gleich zum Imam und da konntest du sicher sein, was richtig war und was falsch. Und warum sollte man das, was er sagte, auch anzweifeln? Er hatte sich ja viel mehr mit diesen Dingen beschäftigt als wir. Zu jeder, aber auch wirklich jeder Frage gab es hier die Antwort.
Aber am schönsten fand ich es, wenn der Imam vom Paradies erzählte.
»Stellt euch das Süßeste vor, das ihr auf Erden kennt«, sagte er zum Beispiel. »Und das nehmt ihr mal zehntausend. Und so süß, genau so süß ist es im Paradies.«
Leider folgte darauf immer die Beschreibung der Hölle.
»Aber hütet euch vor der Hölle. Denn die Hölle ist schlimmer als das Schlimmste, was ihr euch vorstellen könnt. Zehntausend mal schlimmer. Ihr glaubt, dass es schlimm ist, wenn euch ein Auge ausgerissen wird? – Nein, das ist nicht schlimm. Das ist nichts im Vergleich zu den Qualen der Hölle.«
Früher hatte ich ja nie an so was wie
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