Djihad Paradise: Roman (German Edition)
angstgeweitet.
»Bedaure. Wir leben und können uns gleich in Alexandria von allem reinwaschen, Blödmann.«
Erst als wir die Gangway betreten hatten, kam er so langsam wieder runter. Passkontrolle, Kofferband, und dann hielten wir in der Ankunftshalle Ausschau nach einem Typen namens Amir, der uns abholen sollte. Die Halle leerte sich, aber Amir war nicht zu sehen. Zumindest niemand, der sich als solcher zu erkennen gab. Ich zückte mein Handy und wählte die Nummer, die wir in der Moschee bekommen hatten. Freizeichen. Freizeichen. Und dabei blieb es. Toll. Dann probierte ich die Nummer der Sprachschule. Nichts. Verdammt. Unsere Fortbildung zu Mustermuslimen fing ja echt mustermäßig an.
Ich kramte in meiner Tasche und förderte einen zerknitterten Zettel mit halb abgegriffener Schrift zutage. Die Adresse der Sprachschule.
Murat war schon wieder nervös geworden und wippte ungeduldig auf und ab. »Und jetzt? Verdammt, was machen wir denn jetzt? Wir kennen uns doch gar nicht aus hier.«
»Aber du bist doch Ägypter.«
Murat verdrehte die Augen. »Ja, ich bin Ägypter. Ich bin so viel Ägypter, wie du Christ warst. Ich habe einen deutschen Pass, eine deutsche Mutter, einen türkischen Vornamen und einen ägyptischen Vater. Genau so viel Ägypter bin ich. Und: Ich war noch niemals hier. Genau genommen war ich überhaupt noch nie irgendwo anders als in Deutschland.«
»Mann, jetzt komm mal wieder runter«, sagte ich. »Wir nehmen uns ein Taxi und lassen uns zur Schule fahren.«
»Bist du verrückt? Was ist, wenn der Taxifahrer rauskriegt, dass wir aus Deutschland sind?«
Ich sah ihn verständnislos an. »Und? Was soll dann sein?«
»Ich meine, wenn der rausfindet, dass wir Deutsche sind, dann entführt der uns vielleicht, weil er denkt, dass wir reich sind und dann will er Geld erpressen. Aber für uns, für uns, wer soll da schon Geld zahlen? Keinen müden Euro wird irgendwer für uns ausgeben.«
»Mach dich mal locker. Ich hab noch nie gehört, dass in Ägypten Touristen von Taxifahrern entführt worden sind.«
»Ja, weil du ja auch der Ägypten-Crack bist«, maulte Murat weiter.
»Halt die Klappe, Mann, und komm endlich.« Ich ließ Murat stehen und stiefelte nach draußen.
Er trottete mir schimpfend hinterher.
Draußen stürzte sich gleich eine ganze Schar Taxifahrer auf uns und redete auf uns ein.
»Los, sag ihnen, wo wir hinwollen.«
Murat warf mir einen vernichtenden Blick zu. »Alter, mein Ägyptisch ist unterirdisch.«
»Yalla! Versuch es! Oder willst du den ganzen Tag auf dem Flughafen verbringen?«
Murat riss sich zusammen und bedeutete einem der Taxifahrer wild gestikulierend, wo wir hinwollten. Der sah ihn nur fragend an und wütend entriss mir Murat schließlich den lumpigen Zettel und deutete auf die Adresse. Der Fahrer nickte und wir setzten uns in Bewegung in Richtung seines Autos. Er wollte unser Gepäck im Kofferraum verstauen, aber Murat weigerte sich, seinen Rucksack aus der Hand zu geben. Der Fahrer wirkte etwas betroffen, ließ aber schließlich von ihm ab, legte nur meinen Rucksack in den Kofferraum und fuhr los.
Es war glühend heiß. Der Fahrer hatte die Fenster heruntergekurbelt, sodass ein wenig Luft und Dieselsmog und der Geruch von irgendwas Verbranntem in den Wagen drangen.
»Where are you from?«, fragte der Fahrer.
»Germany«, antwortete ich.
Murat boxte mich in die Seite und verdrehte die Augen.
»Ah, Germany. Good land. Very good land«, antwortete er.
Ja, ja. Thumbs up.
»Germany – Adolf Hitler. Great man«, sagte er.
Ich rutschte befremdet auf meinem Sitz herum, während Murat stocksteif auf dem Rücksitz saß. Er sah starr geradeaus und hatte sich in seinen Rucksack verkrallt wie alte Tanten in ihre Handtaschen.
Aus dem Autoradio schallte die zweite Sure und ab und zu nahm der Fahrer einen Schluck aus einer Flasche Stella-Bier, die er in einer Ausbuchtung an der Tür aufbewahrte. Offenbar war er Linkshänder. Im Rückspiegel konnte ich sehen, wie Murat missbilligend die Brauen hochgezogen und die Lippen voller Abscheu gekräuselt hatte. Ich musste lächeln. Murat würde noch mal ein großer Religionswächter oder so was werden.
Auf der Stadtautobahn war die Hölle los. Vor uns rumpelte ein alter Van, der Hühner und Schafe geladen hatte und der immer wieder Heu verlor. Unser Fahrer hupte und wieder fiel Heu auf die Frontscheibe. »Fi sittin dahya!«, fluchte er und startete ein Überholmanöver, das uns beinahe in einen Lkw mit Bananen geschleudert
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