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Djihad Paradise: Roman (German Edition)

Djihad Paradise: Roman (German Edition)

Titel: Djihad Paradise: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kuschnarowa
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Durch die mehrfache Wiederholung geriet ich in eine Art Trance und in meinem Kopf hörte ich Musik. Ich war so weggetreten, dass sich diese Musik in immer kühneren Schwüngen emporschraubte, eine Symphonie, wie sie die Welt noch nie gehört hatte, eine Musik, die Völker vernichten und Völker erheben konnte, und ich jagte eingehüllt in eine Wolke aus purem Klang auf einem geflügelten Pferd mit Menschenkopf über New York hinweg und sah, wie die Skyline sich krümmte und zerbarst. Sie zerbarst durch meine Musik.
    Doch plötzlich fuhr ich hoch. Was hatte ich getan? War ich wahnsinnig geworden? Ich hatte mich auf dem Burak, dem Reittier des Propheten, reiten sehen. Das war Blasphemie. Mehr als das, das war namenlos. Unglaublich. Das war haram. So was von haram. Wie konnte ich mir anmaßen, auf dem Burak zu reiten? Wie konnte ich es mir anmaßen, zu Allahs, des Barmherzigen, Wort mit meinem begrenzten Talent etwas hinzuzufügen? Und dann auch noch Musik. Musik war sowieso haram. Und überhaupt, ich hatte überhaupt nicht gebetet, sondern komponiert. Ich lief rot an und schämte mich vor Allah, dem Barmherzigen. Ich schämte mich so, dass ich dem weiteren Unterricht kaum noch folgen konnte und als ich eine Zeile rezitieren sollte, begann ich zu stottern. Murat boxte mich in die Seite und schüttelte den Kopf.
    Nach neunzig Minuten war der Unterricht vorbei, der tatsächlich nur aus dem Rezitieren bestanden hatte. Als Hausaufgabe sollten wir bis übermorgen die nächsten fünf Suren auswendig lernen. Das war’s.
    Im Anschluss bestand noch die Möglichkeit, dem Sheikh Fragen zum Koran oder zur Lebensführung zu stellen und obwohl ich mich fürchtete, stellte ich mich an.
    »Was bedeutet es, wenn man den Burak gesehen hat?«, fragte ich Abdel Rahman.
    Er zog erstaunt die Brauen empor. »Du hast den Burak gesehen?«
    Ich lief rot an und nickte.
    »Erzähl mir das genauer.«
    Und ich erzählte ihm von meiner Vision, behauptete aber, es sei ein Traum gewesen und ließ das mit der Musik weg.
    Abdel Rahmans Arm zuckte, als wollte er zum Schlag ausholen und ich ging schon in Deckung, aber dann entspannte er sich wieder und während er mich lange und durchdringend ansah, kraulte er seinen Bart.
    »So, so. Du bist den Burak geritten. Das ist eine schlimme Blasphemie, Abdel … Andererseits – inschallah, vielleicht hat dir Allah, der Allmächtige, deine Zukunft vorausgesagt und dich zum großen Krieger bestimmt.«
    Ich erschrak. Ich wollte kein großer Krieger sein. In den Djihad ziehen und Leute töten? Ich? Da gab es doch andere, die besser dafür geeignet waren, Shahid zu werden. Sogar zu Hause in der »Salafiyya-Bruderschaft« gab es ein paar Jungs, die davon träumten, als Märtyrer zu sterben. Als wir die Nine-Eleven-Clips geschaut hatten, haben wir auch Märtyrervideos gesehen. Wie sie dalagen. Friedlich. Tot. Wahrscheinlich schon im Paradies. Ich hatte sie bewundert. Dafür, dass sie ihr Leben für die Sache gaben. Und auch dafür, dass sie töten konnten. Hakim, zum Beispiel, der hatte bei diesem Video geheult, so ergriffen war er, und dabei hatte er leise gemurmelt: »Wenn ich doch bloß auch Shahid werden könnte …« Aber ich, ich musste doch erst noch jede Menge Sünden abtragen. Und da war doch auch noch Shania und überhaupt, eigentlich lebte ich ganz gern. Und Leute töten? Dazu war ich viel zu schwach. Ich war einfach noch nicht so weit und war doch nur hier, um diese schöne Sprache zu lernen und ein besserer Mensch zu werden. Ich wollte nichts, außer ein ganz normaler Mensch zu sein, mit Shania eine Familie zu gründen und glücklich und im rechten Glauben zu leben.
    Abdel Rahman erkannte meine Bestürzung und sagte: »Erschrick nicht vor dem, wozu Allah, der Allmächtige, dich bestimmt hat, sondern freue dich. Schon mit der ersten Wunde kommt der, der für Allah kämpft, ins Paradies und am Tag des Jüngsten Gerichts wirst du der Anwalt deiner Familie sein und sie vor der Hölle bewahren. Wie glücklich müssen deine Eltern sein.«
    Damit widmete er sich seinen Füßen und entfernte einen Krümel, der sich zwischen seinen Zehen festgesetzt hatte und ich fragte mich, ob er Gedanken lesen konnte.
    Mein Herz raste immer noch, als ich Murat erreichte, der an der Tür stand und auf mich wartete.
    »Was hast du ihn gefragt?«, wollte er wissen.
    »Ach, nichts Wichtiges. Nur, ob ich Spielfilme sehen darf«, log ich.
    »Ob du Spielfilme sehen darfst?« Murat starrte mich ungläubig an. »Du hast ihn wirklich

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