Djihad Paradise: Roman (German Edition)
gefragt, ob du Spielfilme sehen darfst? Das weiß doch wahrscheinlich sogar jeder Ungläubige, dass ein wahrer Salafist, der den reinen Weg der Ahnen geht, natürlich keine Spielfilme sehen darf.« Er schüttelte seinen Kopf über meine Unwissenheit.
»Der Sheikh hat eine tolle Stimme. Findest du nicht?«, fragte ich, um ihn abzulenken.
»Ja. Ganz groß.« Murat sah mich erwartungsvoll an. »Wir haben ein wahnsinniges Glück, dass wir hier sein dürfen, stimmt’s?«
Ich war mir da gerade nicht so sicher. Hätte ich doch bloß Abdel Rahman nichts von meiner Vision erzählt.
Trotzdem schlug ich Murat auf die Schultern. »Klar, Mann. Wir haben echt Glück.« Ich sah auf meine Uhr. Schon fast Mittag. »Gleich ist Zuhr. Lass uns eine Moschee suchen. Hier gibt es so viele Moscheen, da können wir für jedes Gebet in eine andere gehen.«
Murat nickte und so verrichteten wir unser Mittagsgebet in einer wunderschönen kleinen Moschee, die rundum von Palmen umgeben war. Danach schlenderten wir in die Schule zurück und Arif Ibn Asmi schickte uns zu Abu Ismail, bei dem wir zu zweit Arabischunterricht haben sollten.
Abu Ismail war ein kleines altes Männchen mit eingefallenen Zügen und wachen, aber gütigen Augen, das mich irgendwie an Obi-Wan Kenobi erinnerte.
»Dann wollen wir mal sehen, ob ihr schon was könnt oder ob wir ganz von vorne anfangen werden«, sagte er und teilte uns Zettel mit einzelnen Zeichen aus.
»Lest vor«, sagte er.
Als wir fertig waren, nickte er erfreut. »Ich sehe, ihr habt euch schon ein wenig mit der Schrift beschäftigt.«
Er hatte eine angenehme Art, Sprache zu vermitteln und ich freute mich, dass wir morgen schon die nächste Stunde haben würden.
Gut gelaunt suchten wir uns die nächste Moschee, denn es war schon wieder Zeit für das ‘Asr, das Nachmittagsgebet. Danach schlenderten wir ein wenig die Geschäftsstraßen entlang.
»Was für ein Dreck überall. Ich verstehe das nicht. Wie kann man denn als geborener Moslem nur so verkeimen?«, echauffierte sich Murat einmal mehr.
»Alter, entspann dich. Ich versteh dich nicht. Sei doch froh, dass du mal was anderes siehst als das, was zu Hause normal ist.«
»Aber ich bin doch nicht hergekommen, um Dreck zu sehen!«
Ich verdrehte die Augen. Murat war zimperlich wie ein Weib. Aber dann fiel mir ein, dass das ja gar nicht stimmte, dass alles, was Titten hatte, zimperlich war. Und ich musste an Shania denken und mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Und das Wort »Titten« hätte ich lieber nicht denken sollen, denn plötzlich saß meine Jeans unerfreulich eng. Mann, noch fast ganze zwei Monate würde ich sie nicht sehen können.
»Murat – irgendwie verhältst du dich echt wie der klassische nörgelnde deutsche Bilderbuchtourist. Iiieh, es ist dreckig. Igitt, wie kann man denn nur so leben, bäh, so viel Müll …«
»Na ja, ich hab ja auch ’nen deutschen Pass«, grinste er mich an.
Dann kauften wir in einem dieser seltsamen kleinen Garagengeschäfte, die es hier überall gab, Brot, Obst und Käse, ein paar Flaschen Wasser, Cola und Mokka, Instantnudeln und Kekse, damit die Auswahl im Kühlschrank etwas größer werden würde. Wir schafften das Zeug schnell nach Hause. Die Sonne stand schon ziemlich tief und wir waren hundemüde. Ich kochte uns einen Mokka und dann war schon wieder Zeit für das Maghrib, das Gebet nach Sonnenuntergang. Wir beteten zu Hause, weil wir so müde waren, dass wir uns nicht noch einmal aufraffen konnten, die Wohnung zu verlassen. Danach fielen wir über unsere Vorräte her und versanken im Wohnzimmer auf dem Sofa und starrten in die Glotze. Ich war ein wenig enttäuscht, denn ich hatte gehofft, noch ein wenig sündigen zu dürfen und vielleicht einen Spielfilm anzuschauen. Aber hier liefen nur ein paar Nachrichtenkanäle, so eine Art ägyptisches Teleshopping und Sendungen à la »Frag den Imam«. Murat zappte wild herum und fand schließlich einen Kanal, der »Salafiyya-TV« oder so ähnlich hieß. Während er noch immer eine Banane zwischen die Lippen geklemmt hatte, verfolgte er gebannt die Hörerfrage einer Frau, ob es denn gestattet sei, als Hochzeitsgast einen roten Niqab zu tragen. Der TV-Sheikh schüttelte empört den Kopf und teilte ihr mit, dass sie gefälligst einen schwarzen tragen sollte.
Ich kaute an meinem Fladenbrot herum und fragte mich, wo eigentlich Samir und Omar blieben. Mann, war ich müde. Am liebsten hätte ich mich sofort hingelegt, aber es gab ja noch das ‘Ischa’.
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