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Djihad Paradise: Roman (German Edition)

Djihad Paradise: Roman (German Edition)

Titel: Djihad Paradise: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kuschnarowa
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aber irgendwann war ich dann doch so ermüdet von dieser wenig abwechslungsreichen Landschaft, dass ich einschlief. In der Morgendämmerung erwachte ich. Kenan hatte recht gehabt: Der Bus war langsam und wir brauchten mehr als einen Tag, bis wir endlich nach Zahedan kamen. Doch der Bus hielt gar nicht an, sondern fuhr die Route 95 weiter Richtung afghanisch-pakistanische Grenze. Die Dichte von Militärpolizeifahrzeugen wurde langsam beunruhigend und einmal konnte ich vom Busfenster aus sehen, wie zwei Männer mit erhobenen Händen und gespreizten Beinen an die Wand eines zerstörten Lehmhauses getrieben wurden, wo ihnen dann Waffen in den Rücken gestoßen wurden und die Polizisten sie durchsuchten. Der erste Typ war dann wieder freigelassen worden, aber der andere wurde in einen Polizeiwagen verfrachtet. In mir tobte ein fürchterliches Chaos. Unverkennbar, das Abenteuer hatte begonnen. Ich war hellwach und sog alles in mich auf. Aber da war noch etwas. Etwas, das mich beunruhigte. Mein Herz begann das Blut ein wenig schneller durch die Adern zu jagen. Wir waren ab jetzt vollkommen auf uns allein gestellt, mitten im Krisengebiet, hier schlug das Herz des afghanischen Heroinschmuggels und wir, wir hatten überhaupt keine Ahnung. So langsam dämmerte mir, dass diese ganze Sache nun absolut kein Spiel mehr war, und die Wahrscheinlichkeit, hier in irgendeine Scheiße zu geraten, bevor meine Ausbildung zum Shahid überhaupt begonnen hatte, erschien mir auf einmal ziemlich groß.
    Plötzlich hielt der Bus mitten im kargen, lehmfarbenen Nichts dieser trostlosen Landschaft. Murat und ich waren die letzten Passagiere. Fragend sahen wir den Busfahrer an und in gebrochenem Englisch teilte er uns mit, dass er einen Mann aus Zahedan verständigt hatte, der uns bald hier aufsammeln und über die Grenze bringen würde. Wir sollten uns zwischen den Hügeln verstecken, bis ein beiger Lieferwagen mit Ziegen hier vorbeikäme. Das klang krude. Aber was blieb uns anderes übrig, als unsere Rucksäcke zu schultern und auszusteigen? Der Busfahrer wünschte uns viel Glück und fuhr davon. Zwölf Uhr mittags. Die Sonne stach erbarmungslos auf uns ein. Ratlos sahen wir uns um. Um zur Grenze zu kommen, mussten wir einfach nur der Route 95 folgen. Aber war das klug? Wären wir nicht das gefundene Fressen für die Grenzpolizei? Wir besaßen kein Visum für Pakistan und wer weiß, was passieren würde, wenn wir dort aufgegriffen würden?
    »Shit, Alter! Was sollen wir denn hier? Wir müssen sofort zurück nach Zahedan. Das klappt doch nie im Leben! Wie soll der uns denn hier finden?« Murats Nerven lagen blank und ein schweißiges Rinnsal lief seine Schläfen herab.
    »Bist du verrückt? Das ist unser einziger Kontakt, wenn wir den verpassen, dann können wir die Sache knicken«, sagte ich und bekam langsam Durst. Hoffentlich kam der Schleuser bald.
    »Los, wir können hier nicht ewig auf der Straße bleiben.« Also verbargen wir uns zwischen den Lehmhügeln und starrten auf die Straße. Wir waren fix und fertig. Gestrandet in einer Ödnis aus Beige. Beige Haufen, beige Hügel und ein beiger zerklüfteter Gebirgszug in der Ferne. Ich wickelte mir das Palituch um den Kopf und wischte mir den Schweiß von der Stirn. Meine Zunge klebte mir schon am Gaumen und ich ärgerte mich über mich selbst. Wie dumm konnte man sein, nicht genug Wasser gekauft zu haben? Murat versuchte, einen Stein aus einer Geröllhalde zu zerren, um sich darauf niederzulassen. Auf einmal schrie er auf, wurde ganz bleich und erstarrte. »Da … da …«, stammelte er. Ich fragte mich, ob er jetzt schon völlig durchdrehte, was konnte bitte schön an einem Stein denn so furchtbar sein? Genervt lief ich zu ihm und blickte unter den Stein, den Murat noch immer wie hypnotisiert festhielt. Als ich sah, was er gesehen hatte, verharrte auch ich für einen kurzen Augenblick reglos. »Alter, lass den verdammten Stein los!«, rief ich und zerrte Murat ein paar Meter weg. Willenlos ließ er sich das gefallen.
    »Ekelhaft, Alter. Skorpione! Ein ganzes Nest! Hast du gewusst, dass es hier Skorpione gibt?«, fragte er mich.
    Nein, das hatte ich nicht gewusst. Und ich hatte vorher auch nicht darüber nachgedacht. Skeptisch beäugten wir den Untergrund und begaben uns wieder in Deckung. Mir wurde langsam schlecht.
    Plötzlich tauchte am Ende der Straße ein Fahrzeug auf. Als es näher kam, konnte ich sehen, dass es beige war und tatsächlich Ziegen geladen hatte. Es fuhr auffällig langsam.

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