Doberstein & Rubov 01 - Feuerfrauen
Gespräch zwischen den Fremden zu konzentrieren. Aber ihr Puls raste, der laut klopfende Herzschlag dröhnte in ihren Ohren. Sie konnte nur unzusammenhängende Wortfetzen aufschnappen. Ob da wirklich ein russischer Dialekt mitklang, vermochte sie beim besten Willen nicht zu sagen.
Und dann sah sie ihn! Zum ersten Mal sah sie einen der Unbekannten klar und deutlich vor sich. Er musste unmittelbar neben der Tür zur Abstellkammer gestanden haben und war einen Schritt vorgetreten. Sina befand sich dem Mann höchstens einem Meter gegenüber. Er hatte ihr sein Profil zugewendet, verharrte bewegungslos. Automatisch drückte sich Sina fest gegen die hintere Wand. Sie starrte den Fremden an, musterte ihn ängstlich: ein massiger Typ. Mit kraftvollen, behaarten Armen und speckigem Stiernacken. Seine feisten roten Haare hatte er bis auf Fingerbreite heruntergeschnitten. Das Gesicht war breit und rosig, so wie sich Sina einen irischen Bauern vorstellte. Die Nase war grobporig, die Augen wässrig blau.
Der Mann schien Sina nicht zu bemerken. Er wandte sich ab und trat auf die anderen drei zu. Sina glaubte, das Wort ›Suchen‹ wahrgenommen zu haben. Tatsächlich wurde es wenig später wiederholt – von einer Frau.
Ja, Sina hatte es ganz deutlich vernommen: eine Frauenstimme! Sie hatte es also wieder mit allen Fünf zu tun. Vier Männer und eine Frau. Sina versuchte, sich einen Reim aus diesem Aufgebot zu machen. Sie versuchte einzuordnen, wer in dieser Gruppe das Sagen hatte. Sie bemühte sich, eine Struktur in der Gruppe zu entdecken. Hinweise, woraus sie Rückschlüsse auf die Absicht der Fremden ziehen konnte.
Die Frauenstimme ließ sie jäh aus ihren Gedanken aufschrecken: »Noch ist sie nicht unten!«
Ehe Sina begreifen konnte, was die Unbekannte damit meinte, bemerkte sie ein leises Knistern. Das Knistern von Strom, von elektrostatischer Ladung. Dann ein helles, hochfrequentes Pfeifen. Sina registrierte, dass die Fremden den Fernseher eingeschaltet hatten. Den Fernsehapparat, mit dem man einen amerikanischen Satellitenkanal empfangen konnte. Sina schossen Bilder von ihrem früheren Besuch des Bunkers durch den Kopf. Als sie Gabriele damit verblüfft hatte, dass sich mitten in diesem unterirdischen Verließ amerikanische Basketballspiele abspielen ließen.
Die Fremden waren still. Sie wirkten aufs Höchste angespannt. Sina nahm wahr, dass einer von ihnen weiter auf die Tastatur des Hauptrechners einhämmerte. Die anderen starrten wie gebannt auf den Fernsehschirm. Sina wagte sich wieder ein Stück weit vor. Auch sie konnte die Szenerie auf dem TV-Schirm erkennen: es war abermals eine Sportübertragung. Offenbar wieder der US-Sender. Und natürlich wieder ein Basketballspiel. Sina war völlig verwirrt und konnte keinen Sinn darin erkennen, was die Unbekannten hier trieben. Im Moment der Katastrophe fernzusehen – was sollte das für einen Sinn ergeben?
Doch dann, allmählich, begann sie zu begreifen. Der Fernseher – das amerikanische Programm … in Sina erwachte ein furchtbarer Verdacht. Wahrscheinlich diente das Fernsehgerät den Fremden als eine Art Kontrollmonitor. Sina beugte sich weiter vor, um mehr von dem Basketballspiel mitzubekommen.
Ihr Verdacht bestätigte sich! Den Einblendungen konnte sie es entnehmen: Was sich die Fremden so konzentriert ansahen, war die Liveübertragung eines Spiels direkt aus New York. Die Methode der fünf Verbrecher war ebenso simpel wie effektiv: Solange sie das Spiel am Fernseher verfolgen konnten, hatte die Bombe ihr Ziel noch nicht erreicht. Riss die Verbindung aber ab, war New York zerstört. Sina erschauderte beim Gedanken an die Auswirkungen.
»Bisher nichts«, sagte einer der Männer mit heiserer Fistelstimme.
Sina hatte zunehmend Zweifel daran, dass sie Russen vor sich hatte. Die Männer, die ihr am Tag zuvor an der Telefonzelle aufgefallen waren, waren jedenfalls nicht dabei. Und überhaupt: War die ganze Russentheorie nicht ohnehin nur eine Spinnerei von Klaus?
Sinas Gedanken sprangen hin und her. Sie konnte nicht mehr klar denken und nicht mehr einordnen, was vordringlich war und was nicht. Sie dachte in dem einen Moment an Klaus, dann im anderen an die Fremden und im nächsten Augenblick an Gabriele, um sich gleich darauf Sorgen wegen der Bombe zu machen. Absolute Verwirrung! Sina zwang sich, nur auf das unmittelbare Geschehen vor sich zu konzentrieren: nur auf das, was sie im Moment sah und wahrnahm.
»Seven minutes«, gab eine dunkle Männerstimme von
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