Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Doberstein & Rubov 01 - Feuerfrauen

Titel: Doberstein & Rubov 01 - Feuerfrauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Beinßen
Vom Netzwerk:
in so kurzer Zeit zu verarbeiten. Sie war in sich versunken. Weltentrückt.
    Dann ertönte wieder ein Knall. Kein Schuss diesmal, sondern ein harter Schlag. So, als hätte jemand eine Stahltür mit voller Wucht zugeschlagen. Dieser Krach holte Sina in die Wirklichkeit zurück. Das Geräusch war ganz nah. Die Fremden mussten sich in unmittelbarer Nähe zur Schaltzentrale aufhalten. Sina versuchte, ihre Gedanken zu ordnen. Sie krallte ihre Finger brutal ins eigene Gesicht. Als wollte sie so die bleierne Trägheit, dieses Gefühl der totalen gedanklichen und körperlichen Lähmung, aus sich herauskratzen. Sie kniff sich in die Wangen. So tief, dass sie vor Schmerz beinahe schreien musste. Doch noch immer war sie nicht fähig, sich von ihrem Platz wegzubewegen. Es war wie in einem Albtraum. Wie in diesem immer wiederkehrenden Traum, in dem Sina versuchte, vor einer Gefahr zu fliehen, indem sie rannte und rannte, aber keinen Schritt vorwärtskam.
    Schritte. Laute, kräftige Schritte. Stimmen. Dröhnende Stimmen.
    Sina wusste jetzt, dass sie unter Schock stand. Der Schuss! Ja, er musste den Schock ausgelöst haben. Den Schuss hatte sie gleichgesetzt mit dem Tod ihrer Freundin. Sie hatte im Augenblick des Knalls Gabriele in Gedanken vor sich gesehen. Wie sie die dunklen Gänge entlangrannte. Wie sie um eine Ecke hetzte. Und wie sie dann einer geschlossenen Reihe finsterer Gestalten gegenüberstand. In den Sekundenbruchteilen, in denen Sina den Schuss wahrnahm, war all dies wie in einem Zeitrafferfilm vor ihrem geistigen Auge abgelaufen. Sie sah Gabriele, wie sie hilflos den Mund aufriss. Wie sie flehend ihre Hände hob. Und sie sah die kalten Augen der Fremden. Nicht ihre Gesichter. Nur die Augen. Eisige, gefühllose Augen! Und dann die Pistole. Einer der Männer hatte sie plötzlich gezogen. Er spannte den Abzug, drückte ab.
    Sina erschauderte. Sie sah Gabrieles verzerrten Gesichtsausdruck vor sich und spürte, welche Schmerzen ihre Freundin im Moment ihres Todes erdulden musste. Sie selbst konnte diesen Schmerz fühlen. Ein brennender Schmerz, der sich ganz tief in ihrem Inneren festsetzte. Ein Schmerz, der ihren Magen zusammenschnürte.
    Die Fremden konnten höchstens zehn Meter entfernt sein. Ein paar Sekunden und sie würden den Raum betreten. Das Geräusch ihrer Schritte hallte von den Wänden wider. Die Stimmen klangen bedrohlich nahe.
    Ein Schock. »Sina!«, beschwor sie sich selbst, »Sina, wach auf!« Krampfhaft überlegte sie, was bei einem Schock zu tun war. Die Beine hochlegen und ruhig durchatmen. Ja, so war es doch, oder? Die Beine hochlegen, damit das Blut wieder zirkulieren konnte und in den Kopf zurückkehren würde.
    Der Lichtstrahl einer Grubenlampe drang in den Raum. Er war heller als das Licht der Generatoren. Das gleißende Licht spiegelte sich im gläsernen Gehäuse eines der Messgeräte und reflektierte direkt in Sinas Augen. Das grelle Leuchten traf sie wie ein Blitz. Ruckartig fuhr Sina auf ihrem Stuhl herum. Sie sah die Digitalanzeige des Rechners: noch neun Minuten und 30 Sekunden bis zum Einschlag der Bombe!
    Sina schnellte hoch. Sie wusste selbst nicht, was sie in diesem Moment antrieb. Wusste nicht, was ihr plötzlich die Kraft zurückgegeben hatte, von diesem Stuhl wegzukommen. War es das Kleinhirn, waren es die Reflexe? War es der pure Selbsterhaltungstrieb? Sie rannte zur gegenüberliegenden Wand. Dorthin, wo eine zweite, schmalere Tür aus der Schaltzentrale herausführte. Der Ausgang mündete in einen winzigen Raum – die Abstellkammer, in die sie sich zusammen mit Gabriele schon einmal geflüchtet hatte. Sina drückte sich in die hinterste Ecke der Kammer.
    Gerade rechtzeitig. Die Stimmen der Fremden füllten bereits den Saal. Sina nahm Schatten wahr. Hektisch herumspringende Schatten. Die Stimmen klangen ebenfalls aufgebracht. Ein heilloses Durcheinander. Keine Chance, einen verständlichen Brocken aufzuschnappen. Behutsam beugte Sina sich vor. In ihrer augenblicklichen Position konnte sie offenbar niemand sehen. Dazu war die Kammer zu finster. Sie selbst aber konnte immerhin einen schmalen Ausschnitt wahrnehmen. Sie erkannte zwei der Computerkonsolen. Und sie sah drei der Fremden.
    Zwei von ihnen nur von hinten. Sie trugen Blaumänner, waren von mittlerer Statur und stämmig gebaut. Der Dritte war ungefähr fünf Meter von Sina entfernt. Er hielt den Blick gesenkt und schien sich mit der Computertastatur zu befassen.
    Die Stimmen wurden ruhiger. Sina versuchte, sich auf das

Weitere Kostenlose Bücher