Doberstein & Rubov 01 - Feuerfrauen
abtoasten.«
Gabi beugte sich zu ihr hinunter. »Ich hör wohl nicht recht: ›abtoasten‹ – wo hast du denn dieses Vokabular her?«
Sina grinste: »Von meiner Schwester Sabine. Als Lehrerin hat sie noch jede Menge andere Ausdrücke dieses Kalibers auf Lager. Ihre Schüler beliefern sie jeden Tag mit Nachschub. Willste noch ’ne Kostprobe?«
Gabi stand wieder auf. »Nein, danke. Auch in Sachen Sprache ziehe ich eher das ›Antike‹ vor. Und was den Bunker betrifft: Ich glaube, du gibst zu schnell auf. Nur weil es hier oben ausschaut wie auf dem Mond, muss das lange nicht für die unterirdischen Anlagen gelten. Kennst du nicht die Geschichte vom Führerbunker?«
Sina ließ von ihrem Stahlseil ab und erhob sich ebenfalls wieder. »Der in Berlin?«
»Ja. Erst nach dem Fall der Mauer wurde er näher untersucht. Und drinnen war alles so, wie es verlassen wurde. Obwohl die Anlage im Krieg mehrmals schweren Bombardements ausgesetzt war.«
Sina wirkte skeptisch: »Du vergisst das Wasser. Wenn künstliche Höhlen nicht ständig abgepumpt werden, laufen sie voll.«
Gabi trumpfte auf: »Eben nicht! In Berlin stand das Wasser kniehoch. Also kein Problem, da noch durchzukommen.«
»Und wer sagt mir, dass deine Geschichten wahr sind?«
Die beiden setzten ihren Rundgang fort. Inzwischen kratzte die Sonne bereits an den Baumwipfeln am Horizont. Gabi bemühte weitere Beispiele, um Sina zu überzeugen: »Der Obersalzberg sagt dir doch auch was, oder?« Sina nickte beiläufig. »Nun, Sina, auch da gab es jede Menge unterirdischer Gänge, Räume, sogar ganze Säle für das Archiv des Innenministeriums. Und auch der Obersalzberg war natürlich Ziel alliierter Bombenangriffe. Hitlers Haus – du weißt ja: das mit dem Panorama-Fenster und Blick auf den Königsee – wurde zerstört. Auch die Villen aller anderen Nazibonzen, die der Oberboss um sich herum geschart hatte, sind bis auf die Grundmauern vernichtet worden. Nicht aber der Bunker.« Gabi ging regelrecht in ihrem Vortrag auf. »Die Amerikaner betreiben eine Freizeitanlage oberhalb von Berchtesgaden. Im General-Walker-Hotel. Von da aus wurden Führungen für Angehörige der US-Streitkräfte und deren Familien angeboten, und zwar in den ›Führer’s Bunker‹ und in ›Eva Braun’s Bunker‹. Die Amis genießen es wie einen Ausflug nach Disney-World. Kurz und gut: Auch diese Untergrundanlage hat überlebt. Was spricht also dagegen, dass nicht auch wir Glück haben?«
Sina wollte Gabis Redefluss unterbrechen, kam aber nicht zum Zuge. Ungebremst sprach die Ältere weiter: »Nehmen wir einmal an, dass von unserem Bunker nur die Eingänge und angesichts der schweren Bombenlast auch das oberste Stockwerk zerstört sind. An die Ebenen darunter konnte in diesem Fall niemand mehr herankommen. Sie müssten folglich im selben Zustand sein, in dem sie damals aufgegeben worden sind.«
Gabi stolperte über einen überwucherten, fußballgroßen Betonklotz. Für Sina eine Gelegenheit, sie zu unterbrechen: »Deine Theorie funktioniert aber nur dann, wenn es mehrere Ebenen gab. Und überhaupt: Wenn du behauptest, dass bisher niemand bis da unten vordringen konnte, wieso glaubst du dann, dass ausgerechnet wir beide es schaffen sollten?« Gabriele zuckte mit den Schultern und ließ ihren Blick über die Trümmer gleiten. Sina bohrte weiter: »Das klingt alles reichlich vage. Wenn du mich fragst, dann sollten wir hier keine Zeit mehr verschwenden.«
Gabis Kopf schnellte herum. Voller Elan sagte sie: »Habe ich bisher nicht immer etwas gefunden, wenn ich einer heißen Spur nachgegangen bin?«
»Du sagst es, Gabi. Aber die Betonung liegt auf dem Wörtchen heiß . Hier kann ich weit und breit nichts von einer heißen Spur erkennen. Die ist inzwischen nämlich genauso erkaltet wie die Triebwerke von Hitlers ollen V2-Raketen!«
Gabi lief rot an. Umrahmt von der ungezähmten Lockenpracht, um die sich ein gleißender Kranz aus dem Licht der untergehenden Sonne legte, sah ihr Gesicht beinahe furchterregend aus. »Nein, nein, nein!«, beharrte sie starrsinnig. »Auch diesmal werde ich recht behalten. Und wenn du nicht dauernd rummäkeln würdest, dann hätten wir den Bunker vielleicht längst entdeckt.«
Sina war sauer. »Ach – soll das heißen, dass dieser ganze Spaziergang überhaupt nicht zum Ausspannen gedacht war, sondern nur deiner ach so wichtigen Bunkersuche diente?«
Gabriele setzte zu einer Antwort an, ließ es dann aber bleiben. Schweigend gingen die Frauen nebeneinander
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