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Doberstein & Rubov 01 - Feuerfrauen

Titel: Doberstein & Rubov 01 - Feuerfrauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Beinßen
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und setzte mit geschäftlichem Tonfall fort: »Das macht 80 Mark pro Nacht, Frühstück inklusive.« Mühsam kam sie hinter der Theke hervor. »Ich zeige Ihnen Ihr Zimmer. Sie wollen sich sicher frisch machen.«
    Auf dem Weg nach oben – die Treppe knarrte erwartungsgemäß bei jedem Schritt – nahm die Wirtin der schmalen Sina den Koffer ab. Gabriele trug ihre schwere Reisetasche selbst. Auf dem oberen Flur stieg der Gruppe ein frischer Schwall Bohnerwachs in die Nasen.
    Das Gästezimmer selbst wich nicht großartig von dem Bild ab, das sich Sina und Gabi inzwischen von dem Gasthaus gemacht hatten. Es war wie die Empfangshalle sehr bescheiden eingerichtet. An der Seite lehnte ein schlichter Kleiderschrank, exakt in der Mitte des Raumes stand ein wuchtiges Doppelbett mit gestreifter Tagesdecke. Dasselbe Muster fand sich auf dem Vorhang vor dem auffallend hohen Fenster wieder. Neben dem Bett war ein kleiner Tisch platziert worden, in einer Ecke eine Kommode mit Spiegel, der einen Sprung hatte. Verloren, mitten im Raum, stand ein Sessel. Alles in allem ein Zimmer, das man nach wenigen Wochen bereits wieder aus seinen Erinnerungen gestrichen haben würde. Nichts, aber auch gar nichts Bemerkenswertes haftete ihm an.
    Gabriele warf ihre Tasche aufs Bett und rümpfte die Nase. »Und sonst gibt’s hier nichts?«
    Die Wirtin lachte kurz auf, schlurfte dann zurück zur Zimmertür. »Fernseher und Minibar und der ganze Westluxus? Nee, das kann ich mir nicht leisten. So viele von euch verirren sich weiß Gott nicht hierher. Vor allem nicht um diese Jahreszeit.«
    Sina zog den Vorhang auf. Sie hatte einen freien Blick auf die Straße, konnte sogar noch das Heck des VW-Busses erkennen.
    Gabi hüstelte verlegen: »Entschuldigung, ich meinte natürlich nicht das Zimmer. Ich meinte, ob es hier denn nichts anderes gibt als diese Leitwarte, das … äh … Kraftwerk und dieses andere …« Sie kratzte sich verärgert am Kopf, suchte nach dem richtigen Ausdruck.
    Sina half nach: »Sauerstoffwerk.«
    Die Hausherrin nahm den Faden auf – allerdings mit verwundertem Ausdruck: »Ich will Sie ja nicht enttäuschen, aber viel mehr ist hier nun mal nicht. Vielleicht die Landebahn und einige Trümmer irgendwo im Wald.« Für einen Moment zögerte sie, bevor sie fortfuhr: »Sie wissen ja, die Russen haben nach dem Krieg alles vernichtet.« Ihre eigenen Worte hatten die Frau offenbar erzürnt. Aufgewühlt öffnete sie die Tür und trat in den Flur hinaus. Dann drehte sie sich noch einmal um: »Nur die Strände konnten sie nicht zerstören – jedenfalls nicht völlig. Versucht haben sie es mit ihren verdammten Manövern ja lange genug.«
    Gabriele hakte nach: »Manöver?«
    Die Wirtin beruhigte sich und kam zurück ins Zimmer. »Ja, der ganze Nordteil der Insel war Manövergelände. Erst die Nazis, dann die Russen und ab 1952 dann die NVA mit ihrer ersten Flottille.« Ihr Tonfall wurde beängstigend ernst: »Darum beachten Sie die Warnschilder, wenn Sie spazieren gehen. In den Wäldern liegen jede Menge Blindgänger und Minen.« Die Alte zog die Augenbrauen zusammen. »Da hat’s schon Tote gegeben. – So, jetzt muss ich wieder runter. Sie haben ja alles. Angenehmen Aufenthalt. Wenn Sie noch was brauchen, sagen Sie Bescheid. Ich bin eigentlich immer da. Wiedersehen.« Diesmal ging sie wirklich.
    Sina, die inzwischen das Bett als gemütlichste Sitzgelegenheit ausgemacht hatte, ließ sich zurückfallen. »Müssen wir nicht auch in eines dieser Wäldchen?« Gabriele zuckte mit den Schultern und widmete sich ihrer Reisetasche. Eine Antwort blieb sie Sina schuldig. Vorerst wenigstens.

11
    Die Freundinnen hatten sich schnell ein bisschen frisch gemacht. Beide fühlten sich deutlich wohler als während der stressigen Autofahrt. Dass die Sonne inzwischen die Oberhand gewonnen und die dichten Wolken verdrängt hatte, steigerte das Wohlgefühl der beiden noch mehr. Sie hatten sich eine kleine Stärkung gegönnt: je ein Brötchen mit Lachsersatz (»Was Warmes gibt’s erst ab 18.30 Uhr«, hatte die Wirtin sie belehrt). Nun stiefelten beide die Uferpromenade entlang und freuten sich über die wilden Schaumkronen auf den Wellen. Das gleichmäßige Rauschen des Meeres, das Klatschen der Brecher gefiel ihnen.
    »Bin ewig nicht an der Küste gewesen.« Sina konnte ihren Blick nicht vom Wasser lösen.
    Gabi hakte sich bei ihr unter, animierte sie zum Weitergehen. »Ich auch nicht. Das heißt: nicht an der Nord- oder Ostsee. Ich glaub bald, man bekommt das

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