Doberstein & Rubov 01 - Feuerfrauen
Bergwerkstollen, durch die du überhaupt erst auf Peenemünde aufmerksam geworden bist.« Sina schnappte sich einen weiteren Ordner und blätterte ihn hastig durch. »Irgendwo finden sich bestimmt Grundrisszeichnungen und Inventarlisten. Was hier wann und von wem in welchem Raum eingelagert worden ist!«
Gabriele begriff und machte sich in dem Aktenberg ebenfalls auf die Suche. »Mein Gott, Sina! Du könntest recht haben! Wenn wir bloß ein bisschen mehr Licht hätten.«
Sina wühlte sich inzwischen durch ihren dritten Ordner und hatte Mühe, die Seiten so auszuleuchten, dass die Schrift darauf erkennbar wurde. »Wie wär’s«, schlug sie vor, »wenn wir die einfach mitnehmen und Zuhause in Ruhe durchsehen?« Gabriele blickte auf, während Sina ihr erklärte: »Wir suchen uns die Erfolg versprechendsten Sachen raus und packen den VW-Bulli bis oben hin voll mit Akten …«
»… und wenn wir wissen, wo die Kunstschätze verstaut sind, kommen wir wieder und schweißen genau die Tür auf, die uns noch im Weg ist«, setzte Gabriele fort und lobte: »Eine elegante Lösung. Klingt fast zu schön, um wahr zu sein.«
»Naja, es kann genauso gut ein Schlag ins Wasser werden«, räumte Sina ein.
»Trotzdem. Lass es uns zumindest versuchen. Immer noch besser, als wenn wir uns in dieser Finsternis die Augen verderben.«
»O. k.«, sagte Sina mit einem frechen Grinsen. »Dann schnapp dir doch gleich mal den ersten Stapel und trag ihn nach oben.«
30
»Ich glaub, deine Reifen könnten ein bisschen mehr Luft vertragen.«
»Luft? Pah! Ich denke nicht, dass damit viel zu ändern ist. Der Wagen ist ganz einfach hoffnungslos überladen. Wie viele Akten hatten wir überhaupt darein gewuchtet? Sind es 50 oder 70 oder 100 dieser schweren Ordner?«
»Keine Ahnung«, meinte Sina und schwang sich vom Beifahrersitz des VW. »Aber wir werden es damit bis Nürnberg schaffen. Auch wenn’s deiner alten Kiste sicher nicht besonders gut tut. Was ist? Kommst du?«
Auch Gabriele stieg nun aus und verschloss die Wagentür. Die beiden Frauen hatten ihren Kastenwagen wieder neben dem Gasthof ›Schwedenschanze‹ abgestellt. Gabi hatte die Scheiben am Heck von innen mit Packpapier verklebt, um neugierige Blicke vom Wageninhalt abzuhalten. Auf ihrem Weg zum Gasthof hatten die beiden Freundinnen beschlossen, noch eine Nacht in Peenemünde zu verbringen und sich erst am nächsten Morgen ausgeruht auf den langen Weg nach Nürnberg zu machen.
»Was meinst du? Sollen wir uns auf einen Schlummertrunk in die Schankstube wagen, bevor wir uns aufs Ohr hauen?«, schlug Sina vor.
»Wenn du mir vorher einen Zwischenstopp unter der Dusche genehmigst, dann klar.«
Die pensionseigene Kneipe war wieder gut gefüllt. Diesmal nahmen die Gäste die beiden Frauen kaum wahr. Da ihr gewohnter Stammplatz im hinteren Winkel des Lokals bereits besetzt war, wählten Gabi und Sina zwei Hocker an der Bar. Die Wirtin, die sie mit einem freundlichen Nicken begrüßte, hatte heute Abend Verstärkung: ein junger Mann mit leicht ausgedünntem blonden Haar und forschem Schnauzer stand neben ihr hinterm Tresen und spülte Biergläser.
»Zwei Pils, wie üblich?«, erkundigte sich die Wirtin.
»Ja, gern«, erwiderte Gabriele. Ihr entging nicht, wie Sina sich beinahe den Hals verrenkte, um den jungen Mann eingehender mustern zu können. »Ähem, Frau Wirtin«, setzte Gabi erneut an. Die Frau, die sich soeben dem Zapfhahn zugewandt hatte, sah fragend auf. »Wer ist denn der sympathische Herr? Ich glaube, meine kleine Freundin würde sich sehr dafür interessieren, ihn kennenzulernen.«
Sina lief augenblicklich rot an. Auch der Mann am Tresen hatte Gabis unerwartete Bemerkung nicht überhört. Er stellte seine Gläser ab und schenkte den Frauen ein freundliches Lächeln. Im Nähertreten sagte er: »Ich bin Bernhard. Der Sohn des Hauses, sozusagen. Freut mich, Sie beide endlich einmal zu sehen. Meine Mutter hat von Ihnen erzählt.« Sinas Wangen waren noch immer gerötet, und sie warf Gabi einen verärgerten Blick zu. »Oh, nichts für ungut«, entschuldigte sich der Mann, dem die Spannung zwischen den Frauen keineswegs entgangen ist. Beschwichtigend fügte er hinzu: »Ich will mich nicht in Ihr Gespräch drängen.«
Sina war abermals peinlich berührt: »Nein, nein, das ist o. k. Bleiben Sie ruhig – ich war nur eben etwas perplex über die Art, wie meine Freundin mit der Tür ins Haus gefallen ist.«
Bernhard lachte kurz auf: »Ha! Das macht nichts. Ganz im Gegenteil.«
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