Doberstein & Rubov 01 - Feuerfrauen
gelesen. Schwarzer Wagen, dunkle Gestalten. Das war doch alles Unsinn! Wahrscheinlich wimmelte es in dieser Gegend von Polen, Russen, Ukrainern und anderen Leuten, die Deutsch nur mit einem dieser schwer einzuordnenden Akzente sprachen. Sie musste sich zusammenreißen. Sie durfte nicht in Panik geraten.
Verflixt – Sina wäre froh gewesen, wenn sie ihren eigenen beruhigenden Argumenten hätte glauben können.
»Aber das können Sie nicht machen«, fauchte Gabriele in den Telefonhörer. Sina sah ihr irritiert zu. Ihre Gedanken schwirrten. Sie versuchte, sich auf das Gespräch ihrer Freundin zu konzentrieren. »Wenn ich Ihnen doch sage, dass es dringend ist!« Gabriele betonte das Wort ›dringend‹, so stark es nur ging. »Ich muss unbedingt Herrn Koenig sprechen. Wie mein Name ist? Doberstein, aber was spielt denn das für eine Rolle?« Gabriele drehte nervös das Telefonkabel zwischen ihren Fingern. »Verbinden Sie mich wenigstens mit dem Vorzimmer«, kommandierte sie. »Danke. Ja, ich warte«, meinte sie unwirsch. Sie warf Sina einen entnervten Blick zu und flüsterte: »Korinthenkacker sind das. Sture Nordlichter.« Und sprach wieder in den Hörer: »Doberstein, guten Tag. Ich muss den Herrn Generaldirektor in einer dringenden Angelegenheit sprechen.« Gabriele schöpfte sichtlich neuen Mut, ihre Gesichtszüge entspannten sich. »Nein, es dauert nicht lange.« Sie warf Sina einen hoffnungsvollen Blick zu. Doch dann: »Was? In einer Sitzung? Er ist nicht zu stören? Mindestens drei Stunden – ja, danke.« Gabriele hängte ein.
Regen setzte ein. Die Tropfen prasselten rhythmisch aufs Dach der Telefonzelle. »Und?«
»Nix und.« Gabriele lehnte sich an die Scheibe, die von innen beschlug.
»Sie wollen dich nicht durchstellen.«
»Clever kombiniert«, meinte Gabriele bissig. »Nicht zu sprechen, der Herr. Jedenfalls nicht für uns.«
»Siehst du jetzt ein, dass wir um Klaus nicht herumkommen?«
Gabrieles Ton war ausgesprochen scharf: »Ach, du mit deinem Klaus! Gut, ich hab’s vermasselt. Aber du weißt, wie Sekretärinnen sind. Am Telefon erreicht man bei denen gar nichts. Die haben von ihrem Chef den Auftrag, die Laufkundschaft abzuwimmeln. Dafür kriegen die ihr Geld. Und das verdienen sie sich leider meistens sehr gewissenhaft.« Gabriele wischte mit ihrem Ärmel die Scheibe frei und starrte hinaus in den Regen. »Wir müssen selbst hin. Wir müssen es direkt in Hamburg probieren. Rausschmeißen können die uns nicht so einfach!«
Sina stierte ihre Freundin finster an. »Du glaubst ernsthaft, dass die uns zu Koenig durchlassen?«
»Ja.« Gabriele klappte ihre Handtasche auf und zog zu Sinas Verwunderung einen Knirps heraus. Gabriele quittierte Sinas erstaunten Blick mit dem Kommentar: »Packe ich immer ein, wenn ich Urlaub nördlich von Fulda mache.« Sie öffnete die Zellentür und ließ den Schirm aufklappen.
Draußen stand ein durchnässter Mann, froh darüber, dass die beiden Frauen endlich die Zelle verließen. Er schob sich freundlich nickend an ihnen vorbei. Erst später realisierte Sina, dass es der Mann aus dem dunklen BMW gewesen war.
47
Der VW-Bus passierte das Hamburger Ortsschild. Es regnete Bindfäden. Das Ziel der beiden Frauen lag im Industriehafenviertel.
Gabriele brummelte vor sich hin. Wie immer, wenn sie am Steuer ihres Kastenwagens saß, bekam sie die Zähne nicht auseinander. Vielleicht lag es diesmal aber auch an der jüngsten Auseinandersetzung der beiden Frauen. Es hatte sich – einmal mehr – um Klaus gedreht. Sina hatte darauf bestanden, ihn anzurufen. Sie wollte ihm unbedingt eine Nachricht auf seinem Band hinterlassen. Wollte ihm mitteilen, dass sie sich auf dem Weg nach Hamburg befanden. Sie wollte vermeiden, dass er sich noch einmal von den beiden versetzt fühlen würde. Ganz schnell sollte es gehen, hatte sie ihrer Freundin versprochen. Konnte sie denn ahnen, dass Klaus eine Handy-Nummer auf seinem Band hinterlassen hatte? Verständlich, dass Sina die Nummer wählte. Und verständlich auch, dass das nachfolgende Gespräch mit ihrem Ex – wie üblich – länger dauerte als geplant.
Sina hüstelte und fragte dann: »Schmollst du immer noch wegen der Sache mit Klaus?«
Keine Antwort. Gabriele schwieg verbissen. Sie lenkte ihren VW sicher über die sechsspurige Straße und schlängelte sich zwischen einem Konvoi aus Containertransportern hindurch.
Sina war sich keiner Schuld bewusst. Zugegeben, das Telefonat mit Klaus hatte eine zeitliche Verzögerung gebracht.
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