Doch die Sünde ist Scharlachrot
würde brechen. »Bastard. Du änderst dich nie, was?«
»Willst du hören, was mit Santo passiert ist?«
»In was hast du ihn reingeraten lassen?«
»Was ich dieses Mal getan hab, meinst du?«
»Was ist passiert, verdammt? Was zum Teufel ist passiert?«
Ben berichtete so knapp wie möglich. Zum Schluss erwähnte er, dass es Mord gewesen sei; er nannte es vorsichtig ein Tötungsdelikt. »Jemand hat an seiner Kletterausrüstung herumgepfuscht«, sagte er.
»Gott verflucht!« Eddie Kernes Stimme drückte jetzt nicht mehr Wut, sondern Entsetzen aus. Aber der Zorn kehrte schnell zurück: »Und was zum Henker hast du getrieben, während er an irgendeiner verfluchten Klippe herumgekraxelt ist? Hast du ihm dabei zugesehen? Ihn angestachelt? Oder hast du's derweil mit ihr getrieben?«
»Er war allein. Ich wusste nicht mal, dass er zum Klettern rauswollte. Ich weiß auch nicht, warum er's getan hat.« Der letzte Satz war gelogen, aber Ben konnte es nicht ertragen, seinem Vater zusätzliche Munition zu liefern. »Erst sah es nach einem Unfall aus. Aber als sie sich seine Ausrüstung genauer angesehen haben, war klar, dass jemand sie manipuliert hat.«
»Wer?«
»Das wissen sie noch nicht, Dad. Wenn sie es wüssten, würden sie jemanden verhaften, und die Sache wäre erledigt.«
»Erledigt? So sprichst du vom Tod deines Sohnes? Von deinem Fleisch und Blut? Von dem Menschen, der deinen Namen hätte weitertragen sollen? Erledigt? Die Dinge werden erledigt, und du machst einfach so weiter? Ist es das, Benesek? Du und Wieheißtsienochgleich spaziert einfach in die Zukunft und lasst die Vergangenheit hinter euch? Aber das kannst du ja hervorragend. Genau wie sie. Sie versteht sich ganz besonders gut darauf, wenn ich mich recht entsinne. Wie nimmt sie es auf? Kommt diese Geschichte ihrem … ihrem Lebensstil in die Quere?«
Ben hatte die boshaften Betonungen in der Sprechweise seines Vaters beinahe vergessen, die bedeutungsvollen Worte und rhetorischen Fragen, die allein dem Zweck dienten, das fragile Selbstwertgefühl seines Gegenübers zu untergraben. In Eddie Kernes Welt hatten Individuen keine Berechtigung. Familie bedeutete in seiner Welt bedingungslose Treue zu einer einzigen Überzeugung und einem einzigen Lebensentwurf – zu seinem Lebensentwurf. Wie der Vater, so der Sohn, dachte Ben. Wie gründlich hatte er doch seine eigene Vaterrolle vermasselt!
»Wir haben noch keinen Termin für die Beerdigung«, teilte er seinem Vater mit. »Die Behörden haben den Leichnam noch nicht freigegeben. Ich habe ihn noch nicht einmal gesehen.«
»Woher zum Henker weißt du dann, dass es Santo ist?«
»Da sein Wagen vor Ort war, sein Ausweis im Auto lag und er seither noch nicht wieder nach Hause gekommen ist, können wir es wohl als gesichert betrachten, dass es sich um Santo handelt.«
»Du bist ja so ein Dreckskerl, Benesek! Von deinem eigenen Sohn so zu sprechen!«
»Was, bitte schön, erwartest du, soll ich sagen, wenn dir doch nichts, was ich sage, je recht wäre? Ich habe angerufen, um es dir persönlich mitzuteilen, weil du es sonst von der Polizei erfahren hättest, und ich dachte …«
»Und das willst du natürlich nicht, oder? Dass ich mich mit den Cops unterhalte. Dass ich ihnen was erzähle und sie mit gespitzten Ohren lauschen.«
»Wenn du meinst«, erwiderte Ben lahm. »Was ich eigentlich sagen wollte, war: Ich dachte, du hörst es lieber von mir als von der Polizei. Sie werden kommen, um mit euch zu reden, mit dir und auch mit Mum. Sie werden mit jedem reden, der Kontakt mit Santo hatte. Ich dachte, du wüsstest vielleicht gern, was sie auf deinem Grund und Boden verloren haben, wenn sie irgendwann auftauchen.«
»Ich hätte sofort gewusst, dass du dahintersteckst«, gab Eddie Kerne zurück.
»Ja. Ich schätze, das hättest du.« Und dann legte er auf, ohne sich zu verabschieden.
Er hatte die ganze Zeit über gestanden, aber jetzt ließ er sich in den Schreibtischstuhl sinken. Er fühlte, wie sich in seinem Innern ein enormer Druck aufstaute, so als wüchse in seiner Brust ein Tumor, der ihm den Atem abschnürte. Das Büro schien zu schrumpfen. Bald würde alle Luft verbraucht sein.
Er musste das alles hinter sich lassen. Wie immer, hätte sein Vater gesagt. Sein Vater – ein Mann, der die Vergangenheit verfälschte, damit sie seinen momentanen Absichten zu dienen vermochte. Aber dieser Moment hier hatte keine Vorgeschichte. Diesen Moment allein, das Hier und Jetzt, galt es zu überstehen.
Er
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