Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Doch die Sünde ist Scharlachrot

Doch die Sünde ist Scharlachrot

Titel: Doch die Sünde ist Scharlachrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Elizabeth
Vom Netzwerk:
Wellenkamm –, und sie war clean. Eine spiegelglatte Oberfläche. Green Room , Kumpel!, hätten sie früher gebrüllt. Scheiße! Du bist im Green Room , Kerne!
    Ben ritt die Welle, bis sie sich im weißen Flachwasser verlor, dann sprang er ab und stand wieder bis zu den Oberschenkeln im Wasser. Er bekam das Board zu fassen, noch ehe es davontreiben konnte, hielt inne und spürte, wie die kleinen Wellen diesseits des Riffs sich in seinem Rücken brachen. Sein Atem kam stoßweise, und er rührte sich nicht, bis sein rasender Herzschlag sich wieder beruhigt hatte.
    Dann watete er zum Strand, das Meerwasser glitt an ihm hinab wie ein abgestreiftes Cape, und er ging auf die Treppe zu.
    Eine Gestalt – eine mitternächtliche Silhouette – kam ihm entgegen.
    Kerra hatte ihn das Hotel verlassen sehen. Zuerst hatte sie nicht gewusst, dass es sich um ihren Vater handelte. Tatsächlich hatte sie einen verrückten Moment lang geglaubt, es müsste Santo sein, der dort unten die Terrasse überquerte und die Treppe zum St. Mevan Beach nahm, um heimlich mitten in der Nacht surfen zu gehen. Sie hatte ihn von oben her beobachtet, hatte nur die schwarz gekleidete Gestalt gesehen und gewusst, dass diese Gestalt aus dem Hotel gekommen war … Sie hatte gar keinen anderen Schluss ziehen können. Es war alles bloß eine Verwechslung! Erleichterung durchflutete ihre Adern. Eine schreckliche, makabere, grauenhafte Verwechslung. Man hatte irgendjemand anderen tot am Fuß der Klippe in Polcare Cove aufgefunden, nicht ihren Bruder.
    Also war sie die Treppe hinuntergehastet; der altersschwache Aufzug wäre viel zu langsam gewesen. Sie war durch den Speisesaal geeilt. Auch der öffnete sich – genau wie der Geräteraum – zur Terrasse hin. Sie überquerte sie und lief auf die Betontreppe zu. Als sie die Anhöhe erreicht hatte, sah sie die schwarze Gestalt am Strand neben dem Surfbrett hocken. Also wartete Kerra und beobachtete. Erst als die Gestalt von ihrem Ritt auf einer einzigen Welle zurückkehrte, erkannte sie ihren Vater.
    Zahllose Fragen stiegen in ihr auf und dann Zorn, gepaart mit dem ewigen Warum, auf das es keine Antwort gab und das nichtsdestotrotz ihre Kindheit und Jugend definiert hatte. Warum hast du immer so getan, als ob …? Warum hast du mit Santo gestritten? Und darüber hinaus: das Wer. Wer bist du wirklich, Dad?
    Als ihr Vater den Fuß der Treppe erreichte, stellte sie keine einzige dieser halb formulierten Fragen. Vielmehr versuchte sie, in der Dunkelheit seine Miene zu lesen.
    Er hielt inne. Sein Gesicht schien einen geradezu sanften Ausdruck anzunehmen, und es sah beinahe so aus, als wollte er ihr etwas mitteilen. Doch dann war alles, was er herausbrachte: »Kerra. Liebes.« Und dann ging er weiter. Er stieg die Stufen zur Anhöhe hinauf. Kerra folgte ihm. Wortlos gingen sie auf das Hotel zu und zu dem leeren Schwimmbecken hinab. Am Beckenrand hielt ihr Vater an und spülte mit dem Schlauch das Salzwasser von seinem Surfboard. Dann betrat er das Hotel.
    Im Geräteraum zog er den Neoprenanzug aus. Er trug nur Boxershorts darunter, und die Kälte verursachte ihm eine Gänsehaut. Doch sie schien ihm nichts auszumachen, denn er zitterte nicht einmal. Er trug den Neoprenanzug zu einer großen Plastikmülltonne in der Ecke und stopfte ihn achtlos hinein. Das tropfnasse Surfboard trug er in einen Nebenraum – ein Hinterzimmer, sah Kerra, das sie bislang noch nie unter die Lupe genommen hatte –, und dort räumte er es in einen Schrank. Diesen versperrte er mit einem Vorhängeschloss, und er vergewisserte sich, dass es auch wirklich eingerastet war, als gelte es, den Inhalt vor neugierigen Blicken zu schützen. Vor den Blicken der Familienmitglieder, ging Kerra auf. Vor ihren und vor Santos, denn ihre Mutter hatte ganz sicher davon gewusst.
    Santo, dachte Kerra. Was für eine Heuchelei! Sie konnte es einfach nicht verstehen.
    Ihr Vater trocknete sich mit einem T-Shirt behelfsmäßig ab, warf es beiseite und streifte einen Pullover über. Er bedeutete ihr, sich umzudrehen, und nachdem sie seinem Wunsch entsprochen hatte, hörte sie ihn die Shorts ausziehen, auf den Boden werfen und schließlich den Reißverschluss der Hose schließen. Dann sagte er: »In Ordnung.«
    Sie wandte sich ihm wieder zu, und sie schauten einander an. Er schien auf ihre Fragen gefasst zu sein, sich für sie gewappnet zu haben.
    Doch sie war entschlossen, ihn ebenso zu überraschen, wie er sie überrascht hatte.
    »War es

Weitere Kostenlose Bücher