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Doch die Sünde ist Scharlachrot

Doch die Sünde ist Scharlachrot

Titel: Doch die Sünde ist Scharlachrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Elizabeth
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sollten wie ihre Eltern, oder etwa doch? Denn dann würde die Welt sich niemals mehr verändern, sich nicht weiterentwickeln, und sie wäre wahrscheinlich nicht mehr im Geringsten interessant. Eine endlose Wiederholung, Generation um Generation. Andererseits … War das denn wirklich so schlecht?
    Selevan wusste es nicht. Was er indessen wusste, war, dass er selbst tatsächlich genau das Gleiche getan hatte wie seine Eltern – entgegen seinen eigenen Wünschen und nur aufgrund einer tückischen Laune des Schicksals. Sein Vater war erkrankt, und Selevan hatte pflichtschuldig die Milchviehzucht übernommen, der er als junger Mann doch nur schnellstmöglich hatte entfliehen wollen. Er hatte das immer als unfair empfunden, und jetzt fragte er sich, wie fair sie alle Tammy gegenüber waren, indem sie ihre Wünsche missachteten.
    Was wäre allerdings, wenn ihre Wünsche gar nicht ihre Wünsche wären, sondern nur die Folge ihrer Ängste? Auf diese Frage brauchte er dringend eine Antwort. Aber sie würde nur dann beantwortet werden, wenn die Frage auch gestellt würde.
    Doch erst einmal musste er sich in Geduld üben. Er musste das Versprechen einlösen, das er ihr und ihren Eltern gegeben hatte – und ihren Rucksack durchsuchen, bevor er sie zur Arbeit fuhr. Sie ließ es resigniert über sich ergehen. Schweigend sah sie ihm dabei zu. Er spürte ihren Blick auf sich, während er ihre Habseligkeiten auf der Suche nach verbotenen Gegenständen durchkämmte. Nichts. Eine karge Brotzeit. Ein Portemonnaie mit den fünf Pfund, die er ihr vor zwei Wochen als Taschengeld gegeben hatte. Lippenbalsam und ihr Adressbuch. Er fand auch ein Taschenbuch und wollte es schon als Beweismittel sicherstellen. Doch der Titel – In den Schuhen des Fischers – deutete darauf hin, dass sie endlich über Cornwall und ihre Herkunft las, also gab er ihr das Buch zurück. Dann reichte er ihr den Rucksack und grummelte: »Sorg dafür, dass es so bleibt.« Erst da fiel ihm auf, dass sie etwas trug, was er noch nie an ihr gesehen hatte. Kein neues Kleidungsstück – sie war noch immer von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet, wie Queen Victoria nach Prinz Alberts Tod. Aber sie trug etwas um den Hals. Und zwar unter dem Pullover, sodass er davon nur ein Stück grüne Kordel sah.
    »Was ist das denn?«, fragte er und zog es hervor. Es war keine Kette, erkannte er. Oder aber die merkwürdigste Kette, die er je gesehen hatte. Sie war nicht geschlossen, und die beiden losen Enden waren mit kleinen Stoffquadraten versehen, die mit einem verschnörkelten ›M‹ und einer goldenen Krone darüber bestickt waren. Selevan betrachtete die Stoffquadrate argwöhnisch. »Was ist das?«, wiederholte er.
    »Ein Skapulier«, erklärte sie.
    »Skapu- was?«
    »Ein Skapulier.«
    »Und wofür steht das ›M‹?«
    »Für Maria.«
    »Maria wer?«, verlangte er zu wissen.
    Tammy seufzte. »Ach, Granddad.«
    Das beruhigte ihn nicht gerade. Er steckte sich das Skapulier in die Tasche und befahl ihr, ihren Hintern nach draußen ins Auto zu bewegen.
    Als er zu ihr in den Wagen stieg, wusste er, die Zeit war reif, also fragte er: »Ist es die Angst?«
    »Wovor?«
    »Du weißt genau, was ich meine. Vor Männern«, sagte er. »Hat deine Mutter … Du weißt schon. Du weißt verdammt gut, worüber ich rede.«
    »Ehrlich gesagt, nein.«
    »Hat deine Mutter dir erklärt …?«
    Die Mutter seiner Frau hatte es nicht getan. Die arme Dot hatte gar nichts gewusst. Sie war nicht nur als Jungfrau in sein Bett gekommen, sondern so ahnungslos wie ein neugeborenes Lamm. Und er hatte die Sache vermasselt, weil auch er unerfahren und schrecklich nervös gewesen war. Für sie aber hatte es lediglich nach Ungeduld ausgesehen, sodass sie schließlich vor Angst in Tränen ausgebrochen war. Aber waren Mädchen heutzutage nicht völlig anders? Die wussten doch schon über alles Bescheid, ehe sie zehn waren.
    Andererseits würden, was Tammy anging, Unwissenheit und Angst eine Menge erklären. Denn sie waren möglicherweise der Grund dafür, wie das Mädchen momentan lebte, nämlich ganz in sich selbst zurückgezogen.
    »Hat deine Mutter mit dir darüber gesprochen, Kind?«, fragte er.
    »Worüber?«
    »Blümchen und Bienchen. Hunde und Welpen. Hat deine Mutter dir das erklärt?«
    »O Granddad«, sagte sie.
    »Hör auf mit deinem ›O Granddad‹, und sag mir die Wahrheit. Denn wenn sie's nicht getan hat …« Arme Dot, dachte er. Arme, ahnungslose Dot. Als ältestes Mädchen in einer

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