Doch die Sünde ist Scharlachrot
dick. Sie bargen keine Geheimnisse, keine charakterliche Komplexität. Und vor allem: Keine von ihnen brauchte Ben, so wie Dellen ihn brauchte. Sie kam immer wieder zu ihm zurück, und er nahm sie bereitwillig wieder auf. Und selbst wenn zwei andere Kerle sie im Laufe ihrer verrückten Teenagerzeit geschwängert hatten, hatte er es zumindest auf dieselbe Zahl gebracht.
Als es zum dritten Mal passierte, hatte er sie gefragt, ob sie ihn heiraten wolle, denn sie hatte ihm die Dimension ihrer Liebe bewiesen: Sie war ihm nach Truro gefolgt, praktisch ohne einen Penny und nur mit dem, was in eine Reisetasche gepasst hatte. Sie hatte gesagt: »Es ist deins, Ben. Genau wie ich.« Und die beginnende Rundung ihres Leibes hatte ihm verraten, was sie meinte.
Jetzt würde alles besser, hatte er geglaubt. Sie würden heiraten und damit dem ewigen Teufelskreis aus Bindung, Betrug, Trennung, Sehnsucht und Versöhnung entkommen.
So war er also nach Truro gegangen, um einen Neuanfang zu wagen, aus dem jedoch nichts geworden war. Aus den gleichen Gründen war er von Truro nach Casvelyn gezogen – und mit dem gleichen Ergebnis. Nein, mit einem weitaus schlimmeren Ergebnis: Santo war tot, und das instabile Gleichgewicht in Bens eigenem Leben war zerstört.
Es kam Ben so vor, als hätte alles einzig und allein mit dem Vorsatz begonnen, jemandem eine Lektion zu erteilen. Welch niederschmetternde Erkenntnis, dass nun auch alles mit einer Lektion geendet hatte. Nur die Rollen von Lehrer und Schüler waren anders besetzt. Die bittere Lehre blieb die gleiche.
Nachdem Detective Inspector Hannaford herausgefunden hatte, dass die Kernes aus Pengelly Cove stammten, bot Lynley sich für die Fahrt die Küste hinunter an. »So kann ich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen«, erklärte er. Worauf Hannaford wissend entgegnete: »Sie wollen sich doch nur um Ihre Verantwortung drücken. Was wissen Sie über Dr. Trahair, was Sie mir nicht verraten wollen, Superintendent?«
Er drücke sich keineswegs, erwiderte er aufgeräumt. Aber da die Vorgeschichte der Kernes aufgedeckt werden müsse und er laut Hannafords Anweisung gehalten sei, Daidre Trahairs Vertrauen zu gewinnen, könne er doch Daidre einen Ausflug vorschlagen …
»Es muss kein Ausflug sein«, protestierte Hannaford. »Es muss überhaupt nichts sein. Sie müssen sie nicht einmal sehen, um ihre Geschichte zu überprüfen. Und ich schätze, das wissen Sie.«
»Ja, natürlich«, räumte er ein. »Aber hier bietet sich die Gelegenheit …«
»Na schön, na schön. Aber vergessen Sie ja nicht, mich anzurufen.«
Also nahm er Daidre Trahair mit, ein Arrangement, das sich problemlos einfädeln ließ. Er musste ohnehin zu ihrem Cottage fahren, um sein Versprechen einzulösen, das zerbrochene Fenster zu reparieren. Er war zu dem Schluss gekommen, dass dies wohl kaum eine intellektuelle Herausforderung darstellte und er davon ausgehen konnte, als Oxford-Absolvent – wenn auch in Geschichte, was sich auf Glaserei nicht so ohne Weiteres übertragen ließ – mit ausreichend Verstand gesegnet zu sein, um eine geeignete Vorgehensweise zu entwickeln. Die Tatsache, dass er sich in seinem ganzen Leben noch nicht ein einziges Mal als Heimwerker versucht hatte, schreckte ihn nicht. Schließlich war er ein Mann, der an seinen Aufgaben wuchs. Er rechnete nicht mit Problemen.
»Es ist wirklich freundlich von Ihnen, Thomas, aber vielleicht sollte ich doch lieber einen Glaser kommen lassen?«, schlug Daidre vor. Sie schien seine Kompetenz im Umgang mit Glas und Kitt in Zweifel zu ziehen.
»Unsinn. Es ist völlig unkompliziert«, versicherte er.
»Haben Sie schon einmal … ich meine, früher?«
»Ungezählte Male. Andere Projekte, meine ich. Was Fenster betrifft, muss ich gestehen, dass ich noch jungfräulich bin. Also … Dann wollen wir uns die Sache einmal anschauen.«
Doch sie hatten es mit einem Cottage zu tun, das zweihundert Jahre alt war oder älter; Daidre wusste es nicht genau. Sie habe immer die Absicht gehabt, seine Geschichte beizeiten zu recherchieren und aufzuschreiben, aber bislang sei sie noch nicht dazu gekommen. Was sie indes wusste, war, dass es zunächst eine Fischerhütte gewesen war, die zu einem Herrenhaus in Alsperyl gehört hatte. Das Herrenhaus war verschwunden – das Innere durch ein Feuer zerstört und die Außenmauern nach und nach von den Einheimischen abgetragen. Sie hatten die Steine für den Bau neuer Cottages oder Begrenzungsmauern zweckentfremdet. Da jenes
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