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Doch die Sünde ist Scharlachrot

Doch die Sünde ist Scharlachrot

Titel: Doch die Sünde ist Scharlachrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Elizabeth
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Flachwasser spielen, und manchmal den Kneeboardern und Bodyboardern, die für ihre Mühen einen schnellen Kick wollen. Jeder, der jenseits der Linie surfte, wo die Wellen brachen, blieb draußen, bis er Feierabend machen wollte, sprang ansonsten vom Board oder fuhr über die Rückseite den Wellenkamm hinab, um wieder nach draußen zu paddeln, lange bevor er dorthin gelangte, wo sich die Anfänger aufhielten. So einfach war es. Ungeschriebene Gesetze, aber Unwissenheit war immer eine schlechte Rechtfertigung.
    Niemand wusste, ob Jamie Parsons aus Unwissenheit handelte oder Gleichgültigkeit. Was sie hingegen alle ganz genau wussten, war, dass Jamie Parsons meinte, gewisse Vorrechte zu haben. Und er betrachtete sie als solche: als Rechte und nicht als das, was sie in Wirklichkeit waren, nämlich unverzeihliche Regelverstöße.
    »Verglichen mit North Shore, ist das hier der letzte Scheiß«, wäre allein ja vielleicht noch erträglich gewesen. Aber so ein Spruch unmittelbar nach einem »Platz da, Kumpel!« und dem Schneiden eines der ortsansässigen Surfer – damit machte man sich keine Freunde. Die Warteschlange interessierte Jamie Parsons nicht im Geringsten. »Hey! Damit müsst ihr leben«, lautete seine Antwort, wenn die Surfer ihn wissen ließen, dass er sich nicht regelkonform verhielt. Diese Dinge bedeuteten ihm nichts, weil er keiner von ihnen war. Er war besser als sie, ihnen überlegen dank seines Geldes, seines Lebens, seiner Bildung, seiner Möglichkeiten oder wie immer man es ausdrücken wollte. Er wusste es, und sie wussten es ebenso. Er hatte einfach nicht Verstand genug gehabt, diese Tatsache für sich zu behalten.
    Also eine Party im Haus der Parsons …? Natürlich wollten sie hin. Sie würden zu seiner Musik tanzen, sein Essen vertilgen, seinen Fusel trinken und sein Gras rauchen. Der Drecksack war ihnen etwas schuldig, weil sie ihn erduldet hatten: fünf Sommer hintereinander, aber der letzte war der schlimmste gewesen.
    Jamie Parsons, dachte Ben jetzt. Seit Jahren hatte er nicht mehr an diesen Kerl gedacht. Er war zu sehr von Dellen Nankervis besessen gewesen, doch wie sich herausgestellt hatte, hatte Jamie Parsons und nicht Dellen Nankervis den Lauf seines Lebens bestimmt.
    Als Ben am Rande des Parkplatzes stand und zu den Surfern hinabschaute, wurde ihm mit einem Mal klar, dass alles, was ihn heute ausmachte, das Ergebnis von Entscheidungen war, die er genau hier in Pengelly Cove getroffen hatte. Nicht im Dorf, sondern unten in der Bucht: bei Flut ein Hufeisen aus Wasser, das an Schiefer- und Granitfelsen schlug; bei Ebbe ein langer Sandstrand, der weit über die eigentliche Bucht hinausragte. Ein Strand, der sich in zwei Richtungen erstreckte, durchbrochen von Felsen und Lavabrocken, begrenzt von den Höhlen, die tief in die Klippen hineinführten und in denen man noch immer reiche Mineraladern entdecken konnte. Schlünde im Fels, erschaffen in Äonen von geologischen Kataklysmen und durch Erosion, hatten diese Höhlen Ben Kernes Schicksal von dem Moment an geprägt, da er sie als kleiner Junge zum ersten Mal zu Gesicht bekommen hatte. Die Gefahr, die sie darstellten, machten sie schier unwiderstehlich. Und die Abgeschiedenheit, die sie boten, machten sie unverzichtbar.
    Seine Geschichte war unentwirrbar mit diesen beiden Höhlen verstrickt. Sie standen für all die ersten Male, die er erlebt hatte: seine erste Zigarette, den ersten Joint, den ersten Suff, den ersten Kuss, den ersten Sex. Außerdem markierten sie die Stürme seiner Beziehung mit Dellen. Denn ebenso wie eine der beiden großen Höhlen sowohl der Schauplatz seines ersten Kusses als auch des ersten Sex mit Dellen Nankervis gewesen war, waren sie überdies Zeuge jedes Betrugs geworden, den die beiden jungen Liebenden aneinander begangen hatten.
    Herrgott, warum wirst du die verfluchte Nutte nicht einfach los?, hatte sein Vater zu wissen verlangt. Sie treibt dich noch in den Wahnsinn, Junge. Schick sie in die Wüste, bevor sie dich mit Haut und Haaren verschlingt und anschließend wieder ausspuckt, verdammt noch mal!
    Er hätte es gern getan – er hätte nichts lieber getan als sie in die Wüste geschickt –, aber er musste sich eingestehen, dass er es nicht konnte. Ihre Bindung reichte zu tief. Es gab andere Mädchen, aber verglichen mit Dellen waren sie simpel. Sie kicherten immerzu, neckten, plapperten oberflächliches Zeug, kämmten sich ewig die sonnengebleichten Haare und fragten jeden Kerl, ob er finde, sie wären zu

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