Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Doch die Sünde ist Scharlachrot

Doch die Sünde ist Scharlachrot

Titel: Doch die Sünde ist Scharlachrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Elizabeth
Vom Netzwerk:
nächste Welle warteten. Niemand machte sich die Mühe, eine Welle bis zum Strand zu reiten, nicht bei diesem Wetter und bei diesen Wellen, die einander glichen wie Spiegelbilder und in gleichmäßigen Abständen an dem Riff etwa hundert Meter von der Küste entfernt brachen. Die Strandwellen waren nur etwas für die blutigen Anfänger – niedriges Gewoge aus weißem Wasser, die den Novizen ein Erfolgserlebnis, aber keine Anerkennung bescherten.
    Ben fuhr weiter zur Bucht hinab. Er ließ den Wagen vor dem Curlew Inn stehen und ging zu Fuß zur Kreuzung zurück. Das Wetter war ihm egal. Er trug die geeignete Kleidung dafür, und er wollte die Bucht erleben, wie er sie aus seiner Jugend kannte. Damals hatte es nur einen Fußweg nach unten und noch keinen Parkplatz gegeben. Nichts bis auf das Wasser, den Sand und die tiefen Höhlen hatten ihn begrüßt, wann immer er hier herunter kam, das Surfboard unter den Arm geklemmt.
    Er hatte vorgehabt, die Höhlen aufzusuchen, aber das Wasser stand zu hoch, und er wusste besser als jeder andere: Er konnte es nicht riskieren. Stattdessen sah er sich nun um und nahm konzentriert die Veränderungen in sich auf, die sich seit seinem letzten Besuch hier vollzogen hatten.
    Geld war in diese Gegend geflossen. Das sah man an den Sommerhäusern und Wochenendcottages, die die Bucht überblickten. Früher hatte es nur ein einziges Haus dort oben gegeben – weit draußen am Ende der Klippe: ein beeindruckender Granitbau, dessen leuchtend weiße Fassade, schwarze Regenrohre und Verzierungen von mehr Geld sprachen, als irgendjemand hier im Ort je besessen hatte. Inzwischen gab es mindestens ein Dutzend von dieser Sorte, wenngleich Cliff House so stolz wie eh und je alle anderen überragte. Er war nur einmal in diesem Haus gewesen, anlässlich einer Party, die die Parsons ausgerichtet hatten – die Familie, die fünf Sommer in Folge darin gewohnt hatte. »Eine Feier für unseren Jamie, ehe er zur Universität geht.« So hatten sie die Festivität betitelt.
    Niemand im Dorf hatte Jamie Parsons leiden können. Er hatte sich nach der Schule ein ganzes Jahr Auszeit gegönnt und war um die Welt gereist und hatte nicht genug Verstand besessen, darüber den Mund zu halten. Und doch waren sie alle gewillt gewesen, Jamie Parsons ihren besten Kumpel oder sogar die Wiedergeburt Christi zu nennen, wenn sie dafür nur die Chance bekamen, einen Abend in diesem Haus zu verbringen.
    Natürlich mussten sie dabei cool wirken. Ben erinnerte sich noch genau. Sie mussten aussehen wie Kids, die solche Partys andauernd erlebten: eine Spätsommernacht, eine Einladung, die mit der Post verschickt worden war – kann man sich das vorstellen? Eine Rockband, die eigens aus Newquay herüberkam, um aufzutreten. Lange Tische voller Köstlichkeiten, Lightshow über der Tanzfläche und überall im Haus Verstecke, wo man alles nur Denkbare anstellen konnte, ohne dass es irgendjemand herausbekam. Mindestens zwei der Parsons-Kinder waren da gewesen – waren es insgesamt vier oder fünf? –, nicht aber die Eltern. Bier jeder nur vorstellbaren Marke, und dazu die verbotenen Schätze: Whiskey, Wodka, Rum-Cola, Tabletten, über deren Zusammensetzung niemand Genaueres wusste – und Cannabis. Kistenweise Cannabis, so schien es. Kokain auch? Ben wusste es nicht mehr.
    Woran er sich aber erinnerte, war das Gerede. Es war ihm unvergesslich geblieben: wegen des Surfens in jenem Sommer und dem, wozu das Surfen geführt hatte.
    Die große Kluft. Sie existierte überall dort, wo Menschen für einen begrenzten Zeitraum hinkamen, aber nicht geboren und ansässig waren. Es gab die Einheimischen und die Eindringlinge. Das galt ganz besonders für Cornwall, wo es einerseits diejenigen gab, die sich abmühten und schufteten, um sich einen bescheidenen Lebensunterhalt zu verdienen, und all jene andererseits, die herkamen, um ihre Ferien und ihr Geld zu verjubeln und die Annehmlichkeiten des Südwestens zu genießen. Die Hauptattraktion war die Küste mit ihrem herrlichen Wetter, den makellosen Stränden und ihren schroffen, hohen Klippen. Die größte Verlockung jedoch war das Wasser.
    Die Einheimischen kannten die Regeln. Jeder, der regelmäßig surfte, kannte die Regeln, und sie waren simpel: Warte, bis du an der Reihe bist. Mogle dich nicht vor. Schnapp dir nicht die Welle eines anderen. Mach den erfahreneren Surfern Platz. Respektiere die Hierarchie. Die Brandung gehört den Anfängern mit ihren breiten Boards, den Kindern, die im

Weitere Kostenlose Bücher