Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Doch die Sünde ist Scharlachrot

Doch die Sünde ist Scharlachrot

Titel: Doch die Sünde ist Scharlachrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Elizabeth
Vom Netzwerk:
Kurierdienst?, fragte sie sich, als sie ihn anklopfen sah. Jemand, der ihr ein Paket brachte oder eine Nachricht aus Bristol? Sie erwartete keine Post, und nach allem, was sie sehen konnte, trug der Fahrer auch nichts bei sich. Vielmehr umrundete er das Cottage, um eine zweite Tür zu finden oder durch ein Fenster zu spähen. Oder Schlimmeres, schoss es Daidre durch den Kopf.
    Sie beschleunigte ihre Schritte. Rufen hatte keinen Zweck; auf diese Distanz hätte man sie nicht hören können. Aber übertriebene Eile war ebenso wenig angebracht. Das Cottage lag ein gutes Stück vom Meer entfernt, und sie befand sich zu weit oberhalb des Sträßchens. Vermutlich war der Motorradfahrer längst weg, bis sie ankam.
    Allein der Gedanke, dass jemand in ihr Cottage einbrechen könnte, trieb sie dennoch voran. Ihr Blick glitt zwischen dem Pfad und dem Cottage hin und her, und die Tatsache, dass das Motorrad immer noch in ihrer Einfahrt stand, spornte sie an und machte sie neugierig.
    Atemlos erreichte sie schließlich das Tor und stieß es auf. Statt eines Einbrechers, der gerade durchs Fenster steigen wollte, fand sie ein junges Mädchen in Ledermontur auf ihrer Eingangsstufe vor. Es lehnte mit dem Rücken gegen die leuchtend blaue Tür und hatte die Beine von sich gestreckt. Es trug einen Silberring in der Nasenscheidewand und hatte ein Stachelband um den Hals tätowiert. Cilla Cormack, erinnerte sich Daidre. Der Fluch im Leben ihrer Mutter. Cillas Großmutter wohnte neben Daidres Familie in Falmouth. Was in aller Welt tat sie hier?
    Als Daidre näher trat, sah Cilla auf. Die milchige Sonne fiel auf ihren Nasenring und verlieh ihm das unschöne Funkeln eines jener Ringe, die man früher Rindern durch die Nase gezogen hatte, um sie gefügig zu machen, wenn man sie an der Leine führte. »Hey«, sagte sie und nickte Daidre zu. Dann stand sie auf und stampfte mit den Füßen auf, als wären sie eingeschlafen.
    »Das ist aber eine Überraschung«, erwiderte Daidre. »Wie geht es dir, Cilla? Wie geht's deiner Mum?«
    »Blöde Kuh«, bemerkte Cilla, und Daidre ahnte, dass die Auseinandersetzungen der beiden Frauen, die in der Nachbarschaft immer schon geradezu legendär gewesen waren, noch immer schwelten. »Kann ich bei Ihnen mal aufs Klo?«
    »Natürlich.« Daidre schloss die Haustür auf und führte das Mädchen hinein. Cilla polterte in ihren Stiefeln durch die kleine Diele und ins Wohnzimmer. »Da drüben«, wies Daidre ihr den Weg. Sie war gespannt, was als Nächstes passieren würde, denn Cilla war wohl kaum den ganzen Weg von Falmouth hierhergekommen, um ihre Toilette zu benutzen.
    Nach einigen Minuten – in denen Daidre durchgängig Wasser plätschern hörte, sodass sie sich zu fragen begann, ob das Mädchen vielleicht beschlossen hatte, ein Bad zu nehmen – kam Cilla zurück. Ihr Haar war nass und zurückgekämmt, und ihr Duft verriet, dass sie sich an Daidres Parfüm bedient hatte. »Schon besser«, sagte sie. »Ich hab mich furchtbar gefühlt. Die Straßen hier sind ja der Hammer!«
    »Ah«, ging Daidre darüber hinweg. »Möchtest du … irgendetwas? Tee? Kaffee?«
    »'ne Kippe vielleicht?«
    »Ich rauche nicht, tut mir leid.«
    »Hätt ich mir denken können.« Cilla sah sich um und nickte. »Nett hier. Aber Sie wohnen hier nicht immer, oder?«
    »Nein. Cilla, ist irgendetwas …?«
    Daidre unterbrach sich. Sie war zu wohlerzogen, als dass sie ihre Besucherin einfach geradeheraus hätte fragen können, was zum Henker es mit ihrem Besuch auf sich hatte. Andererseits war es undenkbar, dass das Mädchen einfach nur zufällig vorbeigekommen war. Daidre lächelte gezwungen und versuchte, ermunternd auszusehen.
    Cilla war nicht eben das hellste Licht im Kronleuchter, trotzdem verstand sie die nonverbale Botschaft. »Meine Gran hat mich gebeten, zu Ihnen zu fahren«, erklärte sie. »Sie sagt, Sie hätten kein Handy.«
    Daidre war erschrocken. »Ist etwas passiert? Was ist los? Ist jemand krank?«
    »Gran sagt, Scotland Yard war bei ihr. Und das sollten Sie erfahren, am besten gleich, denn die Bullen haben ihr Fragen über Sie gestellt. Erst haben sie bei Ihren Eltern geklingelt, aber als da keiner aufmachte, sind sie von Tür zu Tür. Gran hat sofort in Bristol angerufen, um es Ihnen zu sagen. Aber da waren Sie nicht, und da hat sie sich gedacht, Sie sind bestimmt hier, und hat mich gefragt, ob ich hier vorbeifahren könnte, um es Ihnen zu sagen. Warum kaufen Sie sich kein Handy? Das wär nicht blöd, wissen Sie. Ich

Weitere Kostenlose Bücher