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Doch die Sünde ist Scharlachrot

Doch die Sünde ist Scharlachrot

Titel: Doch die Sünde ist Scharlachrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Elizabeth
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hat eine Schlinge darumgelegt, an der sein Karabiner und das Seil für den Abstieg befestigt waren.«
    »Was für eine Schlinge?«
    »Aus Nylonnetz. Sieht aus wie ein Fischernetz, wenn man nicht weiß, wofür's gedacht ist. Man formt eine lange Schlinge daraus, legt sie um ein feststehendes Objekt und verbindet die Enden mit einem Karabiner. Dann knotet man das Seil an den Karabiner, und ab geht's.«
    »Klingt vernünftig.«
    »Wär's an sich auch gewesen. Aber die Schlinge war mit Klebeband ausgebessert, vermutlich um eine Schwachstelle zu stärken, und genau da ist sie gerissen.« McNulty sah zurück in die Richtung, aus der er gekommen war. »So ein Vollidiot! Warum hat er sich nicht einfach eine neue Schlinge besorgt?«
    »Was für eine Art Klebeband hat er denn verwendet?«
    McNulty schaute sie an, als überraschte ihn die Frage. »Isolierband.«
    »Ich hoffe, Sie haben die Finger davon gelassen?«
    »'türlich.«
    »Und der Rucksack?«
    »Ist aus festem Segeltuch.«
    »Das hab ich mir schon gedacht«, erwiderte Bea geduldig. »Wo hat er gelegen? Und woher wissen Sie, dass er dem Jungen gehörte? Haben Sie reingeschaut?«
    »Er lag gleich neben dem Zauntritt, darum hab ich angenommen, es ist seiner. Wahrscheinlich hatte er seine Ausrüstung da drin. Jetzt ist er leer – bis auf einen Schlüsselring.«
    »Autoschlüssel?«
    »Vermutlich.«
    »Haben Sie sich nach dem Fahrzeug umgesehen?«
    »Ich dachte, es ist besser, Ihnen erst mal Bericht zu erstatten.«
    »Dann denken Sie noch mal scharf nach, Constable. Ab nach oben mit Ihnen, und finden Sie den Wagen!«
    Er sah zur Klippe hinüber. Sein Ausdruck verriet ihr, wie wenig Lust er verspürte, ein zweites Mal im Regen dort hinaufzusteigen. »Na los«, ermunterte sie ihn liebenswürdig. »Die Bewegung kann Ihnen nur guttun.«
    »Ich dachte, ich sollte vielleicht lieber die Straße nehmen. Es sind ein paar Meilen, aber …«
    »Sie gehen schön zu Fuß«, teilte sie ihm mit. »Und halten Sie auf dem Pfad die Augen offen. Vielleicht gibt es Fußabdrücke, die der Regen noch nicht vernichtet hat.« Oder du, fügte sie in Gedanken hinzu.
    McNulty sah nicht gerade glücklich aus, aber er sagte: »Okay, Detective.« Er machte kehrt und schlug den Weg ein, den er mit Pete gekommen war.
    Kerra Kerne war vollkommen erledigt und durchnässt, weil sie ihre oberste Regel gebrochen hatte: Gegenwind auf dem Hinweg, Rückenwind auf dem Weg nach Hause. Doch sie hatte es so eilig gehabt, aus Casvelyn hinauszukommen, dass sie es zum ersten Mal seit Ewigkeiten versäumt hatte, im Internet nachzusehen, ehe sie ihre Montur übergezogen hatte und aus der Stadt geradelt war. Sie hatte nur die Lycrakombi und den Helm getragen, und sie hatte so emsig in die Pedale getreten, dass sie schon zehn Meilen außerhalb von Casvelyn war, ehe sie aufblickte, um festzustellen, wo genau sie sich befand. Und auch dann war es allein die Strecke, die sie beachtete, und nicht die Windverhältnisse. Sie war einfach immer weiter in östlicher Richtung geradelt. Und als das Unwetter aufzog, war sie so weit draußen gewesen, dass ihr, um ihm zu entgehen, nur geblieben wäre, einen Unterstand aufzusuchen, und das hatte sie nicht gewollt. So hatte sie sich also die fünfunddreißig Meilen nach Hause gequält, nass bis auf die Haut und müde bis in die Knochen.
    Daran war einzig und allein Alan schuld, befand sie. Alan Cheston – blind, dämlich und angeblich ihr Lebensgefährte, mit allem Drum und Dran, was der Begriff ›Lebensgefährte‹ einschließen mochte. Der jedoch eine Entscheidung getroffen hatte, die sie niemals würde gutheißen können. Und auch ihrem Vater gab sie die Schuld. Er war ebenso blind und dämlich, wenn auch in völlig anderer Weise und aus ganz anderen Gründen.
    Schon vor fast einem Jahr hatte sie zu Alan gesagt: »Bitte tu es nicht. Es wird nicht klappen. Es wird …«
    Und er war ihr ins Wort gefallen. Das kam selten vor, hätte ihr aber etwas über ihn verraten sollen, was sie noch nicht wusste. Doch sie hatte die Zeichen nicht erkannt. »Warum sollte es nicht klappen? Wir werden uns nicht einmal oft sehen, falls es das ist, was dir Sorgen macht.«
    Doch das war nicht der Grund für ihre Sorge gewesen. Sie wusste, was er sagte, entsprach der Wahrheit. Er würde das tun, was immer man in einer Marketingabteilung tat, die weniger eine Abteilung als vielmehr ein alter Konferenzraum hinter der einstigen Rezeption des heruntergekommenen Hotels war. Sie selbst würde die angehenden

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