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Doch die Sünde ist Scharlachrot

Doch die Sünde ist Scharlachrot

Titel: Doch die Sünde ist Scharlachrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Elizabeth
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seinen Tod.«
    Madlyn fing an zu weinen. Ob angestaute Trauer oder Erleichterung der Grund dafür war, konnte Kerra nicht ausmachen.
    »Glaubst du das wirklich?«, fragte Madlyn.
    »Hundertprozentig.«
    In der Kaminecke des Salthouse Inn wartete Selevan auf Jago Reeth, und er schäumte vor Wut, was ungewöhnlich für ihn war. Er hatte seinen Kumpel bei LiquidEarth angerufen und gefragt, ob sie sich früher als sonst im Salthouse Inn treffen könnten. Er müsse dringend mit ihm reden. Jago hatte bereitwillig zugestimmt und noch nicht einmal gefragt, ob sie das nicht am Telefon besprechen könnten. Vielmehr hatte er gesagt: »Klar doch. Dafür hat man doch Kumpel, oder?« Er müsse nur schnell Lew Bescheid geben und werde dann gleich losfahren. Lew sei ein einsichtiger Kerl, wenn es um Notlagen ging. Also werde er in rund einer halben Stunde dort sein.
    Das hieß zwar, dass Selevan würde warten müssen, was ihm nicht recht war, aber er konnte von Jago ja keine Wunder erwarten. LiquidEarth lag ein gutes Stück vom Salthouse Inn entfernt, und Jago konnte sich schließlich nicht hierherbeamen. Also hatte Selevan erledigt, was er in Sea Dreams noch zu erledigen hatte, den Wagen für die anstehende Reise gepackt und war dann zum Salthouse Inn gefahren.
    Er wusste, er hatte alles getan, was er konnte, und es war an der Zeit, zum Ende zu kommen. Also war er in Tammys winziges, vollgestopftes Schlafzimmer gegangen und hatte den Rucksack aus dem Schrank gezogen, mit dem sie aus Afrika gekommen war. Damals hatte sie ihn eigentlich schon nicht gebraucht, und heute brauchte sie ihn erst recht nicht mehr, weil ihre Habseligkeiten nicht zahlreich, aber umso armseliger waren. Es dauerte also nur einen Moment, sie aus der Kommode zu räumen: ein paar Unterhosen altmodischen Zuschnitts, den eine alte Dame vielleicht ansprechend gefunden hätte, ein paar Nylonstrumpfhosen, vier Unterhemden, denn das Mädchen war so flach, dass es nicht einmal einen BH brauchte, zwei Pullover und ein paar Röcke. Hosen besaß sie keine. Tammy mochte keine Hosen. Alles war schwarz, bis auf die Unterwäsche.
    Dann hatte er ihre Bücher eingepackt, hauptsächlich philosophische Werke und einige Heiligengeschichten. Tagebücher hatte sie ebenfalls. Deren Inhalt war das Einzige, was Selevan nicht überwacht hatte, und darauf war er stolz, denn Tammy hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, sie zu verstecken. Trotz der anderslautenden Wünsche ihrer Eltern hatte er es nicht fertiggebracht, in ihren Mädchenträumen und -fantasien zu lesen.
    Bis auf ein paar wenige Toilettenartikel, die Kleider, die sie am Leibe trug, und den Inhalt ihrer Schultertasche besaß sie weiter nichts. Ihren Pass hatte er ihr bereits bei der Ankunft abgeknöpft. »Und lass sie ja nicht den Pass behalten«, hatte Tammys Vater ihn aus Afrika instruiert, nachdem er sie in den Flieger gesetzt hatte. »Sonst ist damit zu rechnen, dass sie wegläuft.«
    Sollte sie ihren Pass doch zurücknehmen, hatte Selevan beschlossen und wollte ihn schon aus seinem Versteck zwischen Korbgeflecht und Futterstoff der Wäschetonne holen. Doch er war nicht dort. Sie musste ihn gleich zu Anfang gefunden haben, ging ihm auf. Das Früchtchen hatte ihn vermutlich die ganze Zeit bei sich getragen, und zwar irgendwo am Körper, denn er hatte ihre Tasche ja regelmäßig nach verbotenen Gegenständen durchsucht. Nun ja, sie war allen anderen ja immer um eine Nasenlänge voraus gewesen, wen wunderte es da schon.
    Selevan hatte an diesem Tag einen letzten Versuch unternommen, ihren Eltern die Augen zu öffnen. Trotz der Kosten und der Tatsache, dass er es sich eigentlich nicht leisten konnte, hatte er Sally Joy und David in Afrika angerufen und ihnen in Sachen Tammy auf den Zahn gefühlt. Er hatte zu seinem Sohn gesagt: »Hör zu, mein Junge, früher oder später müssen Kinder ihren eigenen Weg gehen. Mal angenommen, sie hätte beschlossen, sich in irgendeinen Taugenichts zu verlieben. Was immer du dagegen sagst, je öfter du ihr verbietest, ihn zu treffen, umso mehr will sie es. Das ist ganz einfaches Psycho-Dingsda, wie heißt es gleich wieder? Nicht mehr und nicht weniger.«
    »Sie hat dich auf ihre Seite gezogen, ja?«, hatte David entrüstet gefragt, und im Hintergrund hörte Selevan Sally Joy jammern: »Was? Was ist passiert? Ist das dein Vater? Was hat sie getan?«
    »Ich sage doch gar nicht, dass sie irgendetwas getan hat«, entgegnete Selevan.
    Aber David fuhr fort, als hätte er ihn gar nicht gehört:

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