Doch die Sünde ist Scharlachrot
ich glaube …«
»Nein. So wird es nicht laufen, Mr. Reeth.« Bea ahnte plötzlich, was Reeth vorhatte, und mit dieser Ahnung kam ihr die Erkenntnis, wohin es führen würde.
Doch Ben Kerne ging dazwischen: »Lassen Sie ihn bitte fortfahren. Ich will ihn anhören, Inspector.«
»Das gibt ihm die Möglichkeit …«
»Bitte, lassen Sie ihn weiterreden!«
Höflich, fast schon liebenswürdig wartete Reeth auf Beas Einwilligung. Sie nickte knapp, aber sie war nicht glücklich. Das Ganze war nicht mehr nur regelwidrig und verrückt, sondern auch noch geradezu anmaßend provokant.
»Ich habe mir Folgendes überlegt«, begann Jago Reeth. »Jemand hat da eine offene Rechnung, und er beschließt, dass es Ihr Junge sein soll, der sie bezahlt. Was für eine Rechnung?, fragen Sie sich. Könnte alles Mögliche sein, oder? Eine Rechnung aus jüngster Zeit, eine uralte Rechnung; es spielt keine Rolle. Aber irgendwann muss abgerechnet werden, und Santo soll die Zeche zahlen. Also macht dieser Mörder – könnte ein Mann sein oder eine Frau, auch das spielt keine Rolle, denn das Entscheidende ist der Junge und die Tatsache, dass der Junge tot ist, verstehen Sie, und das ist etwas, was Cops wie diese beiden hier immer vergessen … Der Mörder schließt also Bekanntschaft mit Ihrem Jungen, denn ihn zu kennen, bedeutet, Zugang zu ihm zu haben. Und den Jungen zu kennen, liefert auch die Mittel zur Tat, denn Ihr Sohn ist von der offenherzigen Sorte und redet gern. Über alles Mögliche, aber wie sich herausstellt, redet er vor allem über seinen Vater. So wie es die meisten Jungen tun. Er erzählt, dass sein Vater ihm ständig zusetzt: wegen aller möglichen Sachen, aber vor allem, weil er dem Surfen und Frauen den Vorzug gibt vor einem geregelten Leben. Wer kann ihm daraus schon einen Vorwurf machen? Er ist ja erst achtzehn! Doch sein Vater hat eigene Ziele für seinen Sohn, was dazu führt, dass der Junge rebelliert und redet und noch ein bisschen mehr rebelliert. Und das bringt ihn dazu, nach … Wie nennt man so jemanden? … nach einem stellvertretenden Vater zu suchen …«
»Ersatzvater.« Bens Stimme klang belegt.
»Das ist der richtige Ausdruck. Oder vielleicht auch eine Ersatzmutter. Oder … irgendeine andere Art Ersatz. Priester. Beichtvater. Priesterin. Was auch immer. Auf jeden Fall sieht diese Person – Mann oder Frau, jung oder alt –, wie sich die Tür des Vertrauens öffnet, und marschiert geradewegs hindurch, wenn Sie wissen, was ich meine.«
Er ließ sich alle Optionen offen, schloss Bea. Er war kein Dummkopf, wie er selbst gesagt hatte, und der Vorteil, den er in dieser Situation hatte, waren all die Jahre, die er darüber hatte nachdenken können, welchen Ansatz er wählen sollte, wenn der Zeitpunkt endlich gekommen war.
»Also, diese Person – nennen wir sie in Ermangelung eines besseren Begriffs den Beichtvater – kocht becherweise Tee und heiße Schokolade und noch mehr Tee und noch mehr Schokolade und tischt Kekse auf, aber noch wichtiger: Er bietet Santo einen Platz, wo er tun kann, was er will, und sein kann, wer er will. Und dann wartet der Beichtvater. Und bald geht ihm auf, dass ihm die Mittel zur Verfügung stehen, die Rechnung, die da noch aussteht, zu begleichen. Der Junge ist schon wieder mit seinem Vater aneinandergeraten. Es ist ein Streit, der zu nichts führt, wie immer, aber dieses Mal hat der Junge seine ganze Kletterausrüstung von ihrem üblichen Aufbewahrungsort geholt, wo sie jahrelang gleich neben der des Vaters gehangen hatte, und in seinen Kofferraum gepackt. Was hat er vor? Es ist die klassische Reaktion: Ich werd's ihm zeigen! Ich zeig ihm, was für ein Kerl ich bin. Er denkt, ich bin eine Null, aber ich zeig's ihm. Und was könnte besser sein, als ihn in seiner eigenen Disziplin zu schlagen? Das bringt die Kletterausrüstung in Reichweite des Beichtvaters, und der sieht, was wir einmal … den Weg nennen wollen.«
Bea sah, wie Ben Kerne den Kopf senkte, und sprach ihn an: »Mr. Kerne, ich glaube, es ist …«
»Nein«, unterbrach er sie, und unter Mühen richtete er sich wieder auf. »Weiter!«
»Der Beichtvater wartet nur noch auf die richtige Gelegenheit, die sich schließlich einstellt. Denn der Junge ist vertrauensselig und nachlässig mit seinem Eigentum, auch mit seinem Auto. Es ist nicht schwierig hineinzugelangen, denn es ist niemals abgeschlossen, und mit einem Handgriff öffnet sich der Kofferraum, und da liegt alles. Die richtige Auswahl ist der
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