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Doch die Sünde ist Scharlachrot

Doch die Sünde ist Scharlachrot

Titel: Doch die Sünde ist Scharlachrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Elizabeth
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Kofferraum auch für andere Zwecke benutzt wurde – vielleicht für eine Surfausrüstung –, und darum musste das ganze Zeug gelegentlich ein- und wieder ausgeladen werden. Und wie steht es mit dem Zugang zur Kletterausrüstung? Den hatte jeder. Jede Person im Umfeld des armen Jungen. Und das Motiv? Tja, es scheint, auch das hatte so ziemlich jeder. Am Ende gibt es also keine Antwort. Nur Spekulationen, aber keine beweisbaren Fakten für den Staatsanwalt, was der Mörder vermutlich als das Beste an seinem Verbrechen ansieht, aber in Wahrheit ist es – wie Sie und ich wissen, Mr. Kerne – die schier unerträgliche Grausamkeit daran: Denn der Mörder kommt ungeschoren davon. Jeder weiß, wer es getan hat, jeder. Alle schütteln den Kopf und sagen: Was für eine Tragödie. Was für ein sinnloser, frustrierender …«
    »Ich glaube, es reicht, Mr. Reeth. Oder Mr. Parsons«, sagte Bea.
    »… Horror, dass der Mörder einfach davonkommt, nachdem er – oder sie, versteht sich – die Tat begangen hat.«
    »Ich sagte, es reicht.«
    »Und die Polizei kommt einfach nicht an den Mörder heran. Das Einzige, was die Cops tun können, ist dasitzen und Tee trinken und warten und hoffen, dass sie irgendwann irgendwo irgendetwas finden … Aber sie sind ja immer so beschäftigt. Sie haben andere Fälle zu lösen. Also schieben sie Sie beiseite und sagen, rufen Sie uns nicht jeden Tag an, Mann, denn wenn ein Fall erst einmal kalt ist, so wie es mit diesem passieren wird, hat es keinen Zweck, ständig anzurufen. Wir rufen Sie an, sobald – nein: falls wir jemanden verhaften. Aber diese Verhaftung kommt nie. Und am Ende bleibt Ihnen nichts als Asche in einer Urne, und sie hätten Sie ebenso gut mit seinem Leichnam verbrennen können, denn Ihre Seele ist ohnehin gestorben.«
    Er war offenbar fertig, hatte seinen Vortrag abgeschlossen. Alles, was blieb, war ein schweres Atemgeräusch. Es kam von Jago Reeth. Und draußen, gedämpft, der Schrei der Möwen, das Heulen des Windes und das Brausen der Brandung. In einem Fernsehfilm von angemessener Dramatik würde Jago Reeth nun auf die Füße kommen, dachte Bea. Er würde zur Tür hasten und sich von der Klippe stürzen, nachdem er endlich Rache geübt hatte und nunmehr keinen weiteren Sinn in seinem Leben sah. Er würde springen, um endlich mit seinem toten Jamie vereint zu sein. Aber dies hier war kein Film.
    Sein Gesicht schien von einem Leuchten erfüllt. In den Mundwinkeln hatte sich Speichel gesammelt. Das Zittern hatte sich verschlimmert. Bea sah, dass er auf Ben Kernes Reaktion wartete, auf das Anerkennen einer Wahrheit, die niemand ändern und niemand auflösen konnte.
    Als Ben Kerne schließlich den Kopf hob, sagte er schleppend: »Santo war nicht mein Sohn.«

29
    Das Geschrei der Möwen schien anzuschwellen, und in der Tiefe unter ihnen donnerten die Wellen gegen den Fels und zeigten an, dass die Flut stieg. Ben wurde sich der Ironie des Ganzen bewusst, als ihm durch den Kopf schoss: exzellente Surfbedingungen heute.
    Jago Reeths Keuchen verstummte. Der alte Mann hielt den Atem an, während er offensichtlich zu entscheiden versuchte, ob er glauben sollte, was Ben ihm gerade eröffnet hatte. Ben Kerne jedoch war es gleichgültig geworden, was irgendwer glaubte. Und endlich war ihm ebenso gleichgültig geworden, dass Santo nicht sein leibliches Kind gewesen war. Denn er erkannte, dass sie Vater und Sohn gewesen waren – auf die einzige Weise, die zwischen einem Mann und einem Jungen von Bedeutung war, die von gemeinsamer Geschichte und Erfahrung bestimmt war und nicht von einem blind herumschwimmenden Samen, der durch puren Zufall mit einer Eizelle verschmolz. Darum waren seine Versäumnisse genauso schwerwiegend, wie es die eines leiblichen Vaters seinem Sohn gegenüber gewesen wären. Denn er hatte seine väterlichen Entscheidungen aus Angst getroffen, nicht aus Liebe, hatte stets darauf gewartet, dass Santos wahre Abstammung sich manifestierte. Nachdem sie beide dem Teenageralter entwachsen waren, hatte Ben nie auch nur einen einzigen der Liebhaber seiner Frau gekannt. Er hatte lediglich auf Dellens abscheulichste Charaktereigenschaften in Santo lauern können, und sobald sich irgendetwas auch nur entfernt Dellen-Artiges zeigte, hatte Ben all seine Aufmerksamkeit und Leidenschaft darauf konzentriert. Er selbst hatte Santo im Ebenbild seiner Mutter erschaffen, weil er jedem Wesenszug des Jungen, der ihren zu gleichen schien, so übergroße Beachtung geschenkt

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