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Doch die Sünde ist Scharlachrot

Doch die Sünde ist Scharlachrot

Titel: Doch die Sünde ist Scharlachrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Elizabeth
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streifte die Handschuhe ab und ging zum Verkaufstresen hinüber. Cadan folgte ihm unwillkürlich und warf im Vorbeigehen einen Blick in die Lackiererwerkstatt. Eine Reihe fertiger Bretter wartete dort auf die Lackierung, und an der Wand prangte ein Kaleidoskop bunter Farben, die dort ausprobiert worden waren.
    Draußen hörte er seinen Vater fragen: »Was wollen Sie sagen …? Nein, natürlich nicht. Wo zum Henker ist er? Können Sie ihn mir geben?«
    Cadan wandte sich wieder seinem Vater zu. Lew stand an der Theke, wo das Telefon inmitten des Durcheinanders von Papierkram auf dem Klapptisch stand, der ihm als Schreibtisch diente. Er warf Cadan einen Blick zu und schaute wieder weg.
    »Nein«, sagte Lew zu dem Mann am Telefon. »Ich wusste nicht … Ich hätte es verdammt noch mal zu schätzen gewusst, wenn er mir etwas gesagt hätte … Ich weiß, dass es ihm gesundheitlich nicht gut geht. Aber ich kann Ihnen nur sagen, was er mir gesagt hat: Er müsse kurz weg, um einen Kumpel im Salthouse zu treffen, der irgendwelche Probleme hat … Sie? Dann wissen Sie mehr als ich …«
    Auch Cadan fragte sich jetzt, wo Jago wohl steckte. Der alte Mann war ein Vorzeigeangestellter gewesen, seit er bei LiquidEarth angefangen hatte. Tatsächlich hatte Cadan manches Mal gedacht, dass Jagos Darbietung der perfekten Arbeitsbiene auch daran schuld sein mochte, dass Cadan selbst so schlecht dagestanden hatte. Immer pünktlich bei der Arbeit, niemals krankgemeldet, keine einzige Reklamation, immer fleißig und gewissenhaft bei seinen Aufgaben. Dass Jago jetzt nicht hier war, warf die Frage nach dem Warum auf und veranlasste Cadan, genauer hinzuhören, was sein Vater am Telefon sagte.
    »Rausgeworfen? Gott, nein! Dazu besteht überhaupt kein Grund! Ich ersticke hier in Arbeit, und das Letzte, was mir einfallen würde, ist, irgendwen … Also, was genau hat er denn nun gesagt? … Fertig? Fertig?« Lew sah sich im Verkaufsraum um, und sein Blick fiel auf das Klemmbrett mit den Aufträgen. Darin steckte ein dicker Stapel – Beweis für das Vertrauen, das langjährige Surfer Lew Angarrack entgegenbrachten. Hier mussten sie nicht mit Computerdesign oder Computershaping vorliebnehmen; hier entstand noch alles in Handarbeit. Es gab nur wenige Handwerker, die beherrschten, was Lew in der Lage war zu vollbringen – eine aussterbende Spezies, die ihre Arbeit zu einer Kunstform erhoben hatte, die in die Surfgeschichte eingehen würde wie die ersten Longboards, die aus Holz gewesen waren. Eines Tages würden Hohlkernbretter sie vollends ersetzen, am Computer entworfen, alles in eine Maschine programmiert, die am Ende ein Produkt ausspuckte, das nicht mehr von einem Meister gefertigt war, der selbst surfte und daher genau wusste, welchen Einfluss ein zusätzlicher Channel oder der Neigungswinkel einer Finne auf das Verhalten eines Surfboards haben konnte. Es war eine Schande.
    »Weggefahren mit all seinen Sachen?«, fragte Lew. »Verflucht … Nein. Ich kann Ihnen auch nicht mehr … Sie scheinen ohnehin mehr zu wissen als ich … Ich weiß es nicht … Ich war beschäftigt … Nein, er kam mir nicht verändert vor … Könnte ich nicht sagen.«
    Als sie das Gespräch beendet hatten, stand Lew eine Weile da und starrte auf das Klemmbrett. »Jago ist weg«, sagte er schließlich.
    »Was soll das heißen, weg?«, fragte Cadan. »Für heute? Für immer? Ist ihm was passiert?«
    Lew schüttelte den Kopf. »Er ist einfach abgehauen.«
    »Was? Er hat die Stadt verlassen?«
    »So ist es.«
    »Wer war das?« Cadan nickte zum Telefon hinüber, obwohl sein Vater ihn noch immer nicht ansah.
    »Der Kerl, in dessen Caravanpark Jago gewohnt hat. Der hat mit ihm gesprochen, als er seine Sachen gepackt hat, aber er konnte nicht viel aus ihm rausholen.« Lew nahm die Ohrenschützer ab und warf sie auf den Tisch. Dann lehnte er sich an die Theke mit den Finnen, Wachsdosen und all dem anderen Zubehör, die Hände aufgestützt und den Kopf gesenkt, als studierte er die Auslage. »Tja, das bricht uns das Kreuz.«
    Es war einen Moment still, und Cadan sah Lew die Hand heben und über den Nacken reiben, der ihm von der Arbeitshaltung beim Shaping immer steif wurde. »Dann ist es ja gut, dass ich vorbeigekommen bin«, bemerkte Cadan.
    »Wieso?«
    »Ich kann dir helfen.«
    Lew hob den Kopf. »Cadan, ich bin einfach zu erledigt, um jetzt mit dir zu streiten.«
    »Nein, es ist nicht, wie du denkst«, versicherte Cadan ihm. »Ich kann mir schon vorstellen,

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