Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Doch die Sünde ist Scharlachrot

Doch die Sünde ist Scharlachrot

Titel: Doch die Sünde ist Scharlachrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Elizabeth
Vom Netzwerk:
vorgenommen hatten. Und Cops verstanden sich darauf, genau das zu tun, ohne auch nur die geringste sichtbare Spur zu hinterlassen. Das wusste Selevan genau. Er hatte schließlich einen Fernseher und verbrachte mehr Zeit, als gut war, mit amerikanischen Filmen. Er wusste genau, wie sie es anstellten: ein bisschen Druck auf die Daumennägel. Ein, zwei Stecknadeln unter die Haut gerammt. Es brauchte sicher nicht viel bei einem Kerl wie Jago. Doch merkwürdigerweise benahm der sich überhaupt nicht wie jemand, der in den Händen der Polizei irgendeine Demütigung erlitten hatte.
    Selevan stand einfach da, wusste nicht, ob er sich setzen sollte, ob er gehen oder bleiben sollte, und von seinem Standort aus sah er, wie Jago die Tasche aufs Bett stellte und die Schubläden der Einbauschränke öffnete. Und da endlich ging Selevan auf, was er hätte sehen sollen, sowie Jago die Tasche in Händen gehalten hatte: Sein Freund ging fort.
    »Wo willst du denn hin?«, fragte er.
    »Wie gesagt.« Jago kam wieder an die Tür, dieses Mal mit einem säuberlichen Stapel Shorts und Unterhemden in Händen. »Ich bin hier fertig. Wird Zeit für mich abzuhauen. Ich bleib sowieso nie lang an einem Ort. Folge der Sonne, den Wellen, dem Sommer …«
    »Aber der Sommer hier fängt doch gerade erst an. Er wartet schon um die nächste Ecke. Wo willst du denn eine bessere Surfsaison finden als hier?«
    Jago zögerte, halb dem Bett zugewandt. Es schien, als habe er über das Ziel seiner Reise noch gar nicht nachgedacht. Selevan sah, wie die Haltung der Schultern sich veränderte; irgendwie einen Deut weniger entschlossen.
    »Und außerdem hast du hier doch Freunde! Das zählt doch was! Sind wir mal ehrlich: Bist du mit deinem Zittern schon mal beim Arzt gewesen? Ich schätze, das wird mit der Zeit nicht besser, und wie willst du dann zurechtkommen, immer so allein?«
    Jago schien darüber nachzudenken. »Spielt keine große Rolle, wie gesagt. Meine Arbeit ist getan. Alles, was bleibt, ist das Warten.«
    »Worauf?«
    »Auf … Du weißt schon. Keiner von uns beiden ist mehr der Jüngste, Kumpel.«
    »Auf den Tod, meinst du? Das ist doch Blödsinn! Du hast noch Jahre vor dir! Was zum Henker haben diese Bullen mit dir angestellt?«
    »Nicht das Geringste.«
    »Das glaube ich dir nicht, Jago. Wenn du vom Tod redest …«
    »Dem Tod muss man ins Auge sehen. Genau wie dem Leben. Sie gehören zusammen. Das ist nur natürlich.«
    Selevan spürte einen Hauch von Erleichterung, als er das hörte. Ihm gefiel die Vorstellung nicht, dass Jago über den Tod nachgrübelte, denn das ließ nichts Gutes über die Absichten seines Freundes ahnen. »Ich bin froh, wenigstens das zu hören. Von wegen natürlich.«
    »Weil …?« Jago begann zu lächeln, als ihm aufging, was Selevan meinte. Er schüttelte den Kopf wie ein nachsichtiger Großvater über den Unfug eines geliebten Enkels. »Oh, das. Ich könnte ohne große Mühe Schluss machen, denn ich bin hier fertig, und es scheint wenig Sinn darin zu liegen weiterzumachen. Und hier in der Gegend gäbe es jede Menge Möglichkeiten, es zu tun. Es würde wie ein Unfall aussehen, und keiner würde je das Gegenteil erfahren. Aber wenn ich das täte, endet es vielleicht für ihn, und das darf ich nicht zulassen. Nein. So was wie das hier darf einfach kein Ende nehmen, Kumpel. Nicht, wenn ich es verhindern kann.«
    Cadan war gerade bei LiquidEarth angekommen, als das Telefon klingelte. Er hörte, dass sein Vater in der Shapingwerkstatt war, Jago war nirgends zu entdecken, also nahm er das Gespräch entgegen. Eine Männerstimme fragte: »Lewis Angarrack?«, und als Cadan verneinte, sagte die Stimme: »Holen Sie ihn ans Telefon, ich muss ihn sprechen.«
    Cadan dachte nicht daran, Lew beim Shapen eines neuen Boards zu stören. Aber der Anrufer beharrte darauf, dass die Angelegenheit nicht warten könne, und eine Nachricht wollte er nicht hinterlassen.
    Also ging Cadan seinen Vater holen. Um sich über das Heulen der Maschine Gehör zu verschaffen, öffnete er die Tür nicht, sondern donnerte heftig dagegen. Das Heulen verstummte. Lew erschien an der Tür, Atemschutzmaske und Brille um den Hals.
    Als Cadan ihm sagte, da sei ein Anruf für ihn, blickte Lew stirnrunzelnd zu Jagos Arbeitsplatz hinüber und fragte: »Ist Jago noch nicht zurück?«
    »Sein Wagen steht nicht draußen.«
    »Und was tust du dann hier?«
    Cadan spürte, wie der Mut ihn verlassen wollte. Er unterdrückte ein Seufzen. »Telefon«, erinnerte er ihn.
    Lew

Weitere Kostenlose Bücher