Doch die Sünde ist Scharlachrot
in T-Shirt-Läden, Souvenirgeschäfte und Surfschulen umgewandelt worden, und die post-edwardianischen Wohnhäuser dienten heute als billige Pensionen für jene Wandervögel, die dem Sommer und den Wellen rund um den Globus folgten.
Dem Parkplatz gegenüber an der Belle Vue Lane lag das Toes-on-the-Nose-Café, wo die einheimischen Surfer sich an diesem Morgen scharenweise versammelt hatten. Zwei hatten ihre Autos widerrechtlich am Straßenrand abgestellt, als hätten sie die Absicht, beim ersten Anzeichen eines Wetterumschwungs umgehend davonzubrausen. Dicht an dicht bevölkerten sie das Café. Diese Surfer waren immer im Pulk unterwegs und klebten förmlich aneinander wie Pech und Schwefel. Daidre verspürte einen kleinen Stich des Vermissens. Wie anders es sich anfühlte als der Schmerz des Verlusts!, fuhr es ihr durch den Kopf. Im Vorbeigehen sah sie die Surfer an den Tischen beisammenhocken. Zweifellos berichteten sie einander gerade von ihren Heldentaten auf dem Wasser.
Sie machte sich auf den Weg zur Redaktion des Watchman, die in einem hässlichen, blau verputzten Gebäude Ecke Princes Street und Queen Street untergebracht war. Die Einheimischen nannten dieses Viertel spaßeshalber ›das königliche T‹. Die Princes Street bildete den Querbalken des T, die Queen Street die Versalhöhe. Unterhalb davon lag die King Street, und Duke Street und Duchy Row befanden sich ebenfalls in der Nähe. In viktorianischer Zeit und schon davor hatte Casvelyn sich um den Namenszusatz ›Regis‹ bemüht, und diese Straßennamen waren die historischen Zeugnisse dieser Kampagne.
Als sie Thomas Lynley gesagt hatte, sie habe allerhand in der Stadt zu erledigen, hatte sie nicht gelogen. Nicht wirklich jedenfalls. Sie musste sich bei Gelegenheit um die Reparatur des zerbrochenen Fensters kümmern, aber erst einmal war da die nicht gerade unbedeutende Sache mit Santo Kernes Tod. Der Watchman würde über seinen Absturz in Polcare Cove berichten, und da Daidre hier keine Zeitung abonniert hatte, war es ein durchaus glaubhaftes Ansinnen, wenn sie in der Redaktion nachfragte, ob bald eine Ausgabe mit dem entsprechenden Artikel erscheinen würde.
Sie entdeckte Max Priestley sofort. Das war in der kleinen Redaktion nicht verwunderlich. Sie bestand lediglich aus Max' Büro, einem Layout-Raum, einem winzigen Newsdesk und dem Empfangsbereich, der gleichzeitig als Archiv diente. Max war mit einem der beiden fest angestellten Redaktionsmitarbeiter im Layout. Sie standen über den Entwurf einer Titelseite gebeugt, die Max offenbar ändern, seine Redakteurin – die aussah wie ein zwölfjähriges Mädchen in Flipflops – hingegen beibehalten wollte.
»Die Leute wollen das«, insistierte sie. »Das hier ist eine Gemeindezeitung, und er war ein Mitglied dieser Gemeinde.«
»Es gibt einen Zweispalter, wenn die Queen stirbt«, erwiderte Max. »In anderen Fällen lassen wir uns zu so etwas nicht hinreißen.« Dann sah er auf, und sein Blick fiel auf Daidre.
Zögernd hob sie die Hand und betrachtete ihn so eingehend, wie ihr möglich war, ohne dass es gar zu offensichtlich wurde. Der Mann hielt sich gern im Freien auf, das sah man ihm an. Sein wettergegerbtes Gesicht ließ ihn älter als seine vierzig Jahre wirken, das dichte Haar war sonnengebleicht, und die regelmäßigen Wanderungen auf dem Küstenpfad hielten ihn in Form. Er wirkte ruhig und ausgeglichen. Daidre wunderte sich darüber.
Die Dame am Empfang, die gleichzeitig als Korrektorin und Sekretärin des Chefredakteurs fungierte, erkundigte sich höflich nach Daidres Begehr, als Max aus dem Layout kam und seine Goldrandbrille an seinem Hemd polierte. »Vor nicht einmal fünf Minuten habe ich Steve Teller zu dir geschickt, um dich zu interviewen«, sagte er zu Daidre. »Es wird Zeit, dass du dir ein Telefon anschaffst wie der Rest der Welt.«
»Ich habe ein Telefon«, erwiderte sie. »Es steht nur nicht in Cornwall.«
»Dann nützt es uns nichts, Daidre.«
»Ihr arbeitet also an einer Story über Santo Kerne?«
»Ich kann die Sache wohl kaum ignorieren, wenn ich mich auch weiterhin einen Zeitungsmann nennen will, oder?« Er nickte zu seinem Büro hinüber und bat die Sekretärin: »Versuch, Steve auf dem Handy zu erreichen, Janna. Sag ihm, Dr. Trahair ist in der Stadt, und wenn er schnell genug zurückkommt, wird sie vielleicht bereit sein, ihm ein Interview zu geben.«
»Ich habe ihm nichts zu sagen«, erklärte sie Priestley.
»›Nichts‹ ist unsere Geschäftsgrundlage«,
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