Doch die Sünde ist Scharlachrot
sprach. Nach einem winzigen Zögern stand er von dem Sofa auf, wo er neben seiner Frau gesessen hatte, und ging zurück zur Cappuccinomaschine. Bea ließ zu, dass das Schweigen sich in die Länge zog, und als Constable McNulty sich räusperte, als wollte er etwas sagen, trat sie ihn auf den Fuß, damit er die Klappe hielt. Sie hatte ganz und gar nichts einzuwenden gegen Spannungen während eines Verhörs, vor allem dann, wenn einer der Verdächtigen den anderen damit unbeabsichtigt unter Druck setzte.
Dellen sprach schließlich weiter, aber es war Ben, den sie dabei ansah, als beinhalteten ihre Worte eine geheime Botschaft an ihn: »Wir haben unten an der Küste gelebt, Ben und ich, nicht in Newquay oder so, wo einem wenigstens ein bisschen was geboten worden wäre. Wir stammen aus einem Dorf, wo es nichts anderes gab als den Strand im Sommer und Sex im Winter. Manchmal auch Sex im Sommer, wenn das Wetter nicht gut genug war für den Strand. Wir waren immer in einer Gruppe unterwegs, einer Jugendclique, und da ging es eben ziemlich hoch her. Mal war man mit dem zusammen, mal mit jenem. Das heißt, bis wir nach Truro kamen. Ben ist zuerst gegangen, und ich kluges Mädchen bin ihm nachgefolgt. Von da an war alles anders. In Truro hat sich das Leben für uns verändert.«
Ben kam mit ihrem Kaffee zurück. Er brachte auch eine Schachtel Zigaretten mit, die er irgendwo in der Kochnische gefunden hatte, zündete eine an und reichte sie ihr. Dann setzte er sich ganz nah neben sie.
Dellen schüttete den Kaffee ebenso hinunter wie den ersten, als wäre ihr Mund mit Asbest ausgepolstert. Dann zog sie tief an der Zigarette. Sie inhalierte doppelt, bemerkte Bea: Sie zog den Rauch ein, ließ ein bisschen wieder heraus und sog alles wieder ein. An Dellen Kerne sah es aus wie ein Kunststück. Bea versuchte, sich auf die Frau zu fokussieren. Dellens Hände bebten.
»Die Großstadtlichter?«, fragte Bea die Kernes. »War es das, was Sie nach Truro gelockt hat?«
»Wohl kaum«, entgegnete Dellen. »Ben hatte einen Onkel, der ihn bei sich aufgenommen hat, als er achtzehn war. Ben hatte immerzu Streit mit seinem Vater. Meinetwegen. Dad dachte – Bens Dad, meine ich, nicht meiner –, wenn er seinen Sohn aus dem Dorf schafft, würde er ihn auch aus meinen Fängen befreien. Oder mich aus seinen. Er hat nicht damit gerechnet, dass ich Ben folgen würde. War's nicht so, Ben?«
Ben legte seine Hand über ihre. Sie sagte zu viel, und das war ihnen allen klar, aber allein Ben und seine Frau wussten, warum sie das tat. Bea überlegte, was all das wohl mit Santo zu tun hatte, als Ben den Versuch unternahm, das Gespräch wieder unter seine Kontrolle zu bringen, indem er erklärte: »Das ist nicht ganz richtig. Vielmehr war es so, dass mein Vater und ich nie besonders gut miteinander ausgekommen sind. Sein Traum war es, völlig autark nur von dem zu leben, was das Land zu geben hatte, und nach achtzehn Jahren hatte ich die Nase voll davon. Also bin ich zu meinem Onkel nach Truro gezogen. Dellen folgte mir … ich weiß nicht mehr. Wie lange war es? Acht Monate später?«
»Mir kam es vor wie acht Jahrhunderte«, erwiderte Dellen. »Bei allem, was man mir vorwerfen kann, aber ich konnte eine Chance erkennen, wenn sie sich mir bot. Das kann ich immer noch.« Sie hielt den Blick auf Ben gerichtet, während sie zu Bea sagte: »Ich habe einen wundervollen Mann, dessen Geduld ich jahrelang auf die Probe gestellt habe, Inspector Hannaford. – Kann ich noch einen Kaffee haben, Ben?«
»Bist du sicher, dass das klug ist?«, fragte er.
»Aber mach ihn bitte noch heißer. Ich glaube, die Maschine funktioniert nicht richtig.«
Und Bea ging ein Licht auf. Sie verstand plötzlich, was der Kaffee symbolisierte. Dellen hatte ihn nicht gewollt, aber er hatte darauf bestanden. Der Kaffee war eine Metapher, und Dellen Kerne ließ ihren Mann nicht vergessen, wofür er stand.
»Ich hätte gern das Zimmer Ihres Sohnes gesehen«, bat Bea. »Natürlich erst, wenn Sie Ihren Kaffee getrunken haben.«
Daidre Trahair kam entlang der Klippe zurück nach Polcare Cove, als sie ihn entdeckte. Ein frischer Wind wehte, und sie war stehen geblieben, um ihr Haar mit der Perlmuttspange zu bändigen. Den Großteil hatte sie erwischt, die restlichen Strähnen steckte sie sich hinter die Ohren. Und da sah sie ihn, vielleicht hundert Meter südlich von ihr. Offenbar kam er gerade von der Bucht herauf, sodass sie annahm, er wollte seine Wanderung wieder aufnehmen,
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