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Doch die Sünde ist Scharlachrot

Doch die Sünde ist Scharlachrot

Titel: Doch die Sünde ist Scharlachrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Elizabeth
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Ausweg gibt.«
    »Gott.« In seiner Wange zuckte ein Muskel.
    Sie bereute ihre Indiskretion bitterlich. Ein einziges Wort – Mylord – hatte ihn auf seinen Schmerz reduziert. So etwas brauche Zeit, wollte sie ihm sagen. Nur ein Klischee, aber es lag so viel Wahrheit darin.
    Sie fragte: »Thomas, hätten Sie Lust, einen Spaziergang zu machen? Es gibt da etwas, was ich Ihnen gerne zeigen möchte. Es ist ein Stück zu laufen … vielleicht eine Meile den Küstenpfad entlang. Aber das macht uns ordentlichen Appetit aufs Abendessen.«
    Sie dachte schon, er würde ablehnen, aber das tat er nicht. Stattdessen nickte er, und sie bedeutete ihm mit einer Geste, ihr zu folgen. Sie gingen in die Richtung, aus der sie gerade gekommen war, stiegen zuerst hinab in eine weitere Bucht, wo große Schieferflossen aus der Brandung ragten und sich einer tückischen Klippe aus Sandstein und Ton entgegenreckten. Der Wind und die Wellen machten das Sprechen schwierig, genau wie die Tatsache, dass sie hintereinander gingen, also sagte Daidre nichts, und auch Thomas Lynley schwieg. Es war besser so, befand Daidre. Einen Augenblick kommentarlos verstreichen zu lassen, war manchmal eine heilsamere Methode, als an eine frische Wunde zu rühren.
    An einigen windgeschützten Stellen hatte der Frühling Wildblumen hervorgelockt. Der Pfad war vom Gelb des Jakobskrauts gesäumt, durchbrochen vom Rosa der Grasnelken und Erika. Traubenhyazinthen zeigten an, wo in grauer Vorzeit Wälder gestanden hatten. In unmittelbarer Nähe der Klippen, wo sie kletterten, gab es kaum Bauwerke. Doch in der Ferne duckten sich steinerne Farmhäuser neben einer Handvoll größerer Scheunen, und die dazugehörigen Rinder grasten auf Weiden, umgeben von Cornwalls typischen Hecken, in denen Wildröschen und Nabelkraut wuchsen.
    Das nächstgelegene Dorf war Alsperyl, wo sich auch ihr Ziel befand. Das Örtchen bestand aus einer Kirche, dem Pfarrhaus, einer Ansammlung von Cottages, einer uralten Schule und einem Pub: allesamt aus dem typischen Stein dieser Gegend erbaut und unverputzt und etwa eine halbe Meile östlich des Küstenpfads jenseits einer buckligen Weide gelegen. Nur der Kirchturm war von ihrer derzeitigen Position aus sichtbar. Daidre zeigte in die Richtung und erklärte: »St. Morwenna. Aber wir gehen noch ein Stück weiter, wenn Sie können.«
    Er nickte, und sie kam sich ob ihrer letzten Bemerkung albern vor. Er war kein Invalide; Trauer nahm einem schließlich nicht die Fähigkeit zu laufen. Sie nickte ihrerseits und führte ihn vielleicht noch zweihundert Meter weiter, wo eine Unterbrechung in der windzerzausten Heide auf der Seeseite des Pfades eine grob gehauene Steintreppe enthüllte.
    »Es ist kein langer Abstieg, aber seien Sie vorsichtig«, mahnte sie. »Es ist ein tückischer Abgrund, und wir sind an die fünfzig Meter oberhalb der Wasserlinie.«
    Die Treppe schmiegte sich an die Rundung der Klippe und führte zu einem weiteren schmalen Pfad, der mit Ginster und Mauerpfeffer überwuchert war, der hier trotz des Windes gedieh. Nach weiteren zwanzig Metern endete der Weg abrupt, jedoch nicht an einem plötzlichen Abgrund, wie man hätte annehmen können. Vielmehr war hier ein Unterstand in den Fels geschlagen worden. Die Vorderseite war aus dem Treibholz gesunkener Schiffe gezimmert, und die Seitenwände, die aus der Klippe ragten, waren aus kleinen Sandsteinblöcken aufgeschichtet worden. Die Holzfront war altersgrau. Die Scharniere der groben zweigeteilten Tür bluteten Rost auf die schartigen Bohlen.
    Daidre wandte sich zu Thomas Lynley um, um seine Reaktion auszuloten. Solch ein Bauwerk an einem so entlegenen Ort? Seine Augen hatten sich geweitet, und ein Lächeln lauerte in seinen Mundwinkeln. Sein Ausdruck schien zu fragen: Was ist das hier?
    Sie beantwortete seine ungestellte Frage und hob die Stimme, um den Wind zu übertönen, der immer noch an ihnen zerrte. »Ist sie nicht wunderbar, Thomas? Sie heißt ›Hedras Hütte‹. Den Aufzeichnungen von Reverend Walcombe zufolge steht sie hier schon seit dem Ende des achtzehnten Jahrhunderts.«
    »Hat er sie erbaut?«
    »Walcombe? Nein, nein. Er war kein Baumeister, sondern Chronist. Ein ziemlich guter, wenn Sie mich fragen. Er hat niedergeschrieben, was sich in und um Alsperyl zugetragen hat. Ich habe das Buch irgendwann einmal zufällig in der Bibliothek von Casvelyn gefunden. Er war … ich weiß nicht genau, vielleicht vierzig Jahre lang Vikar in St. Morwenna. Er hat versucht, die gequälte

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