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Doctor Boff - Weiberkranckheiten

Doctor Boff - Weiberkranckheiten

Titel: Doctor Boff - Weiberkranckheiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Klugmann
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seiner Frau Grüße zur silbernen Hochzeit, deren Datum in diese Woche fiel. Er schickte keinen Ring und keine Kette, denn ihn habe soeben die Nachricht erreicht, dass die Fürstin unter dem Terror unsichtbarer Gestalten zu leiden habe, die ihren Willen brechen wollten, indem sie Angst verbreiteten. »Deshalb schicke ich dir zehn Männer, Roster ist der Anführer, außer ihm spricht keiner unsere Sprache. Sie werden dich von der Last befreien, und wenn dies getan ist, was nicht länger als zwei Tage dauern kann, werden sie noch einige Zeit in deiner Nähe bleiben, um zu gewährleisten, dass es nicht mehr zu Belästigungen kommt. Biete ihnen kein Geld an, denn sie werden es nicht nehmen. Niemand benimmt sich schlecht zu meiner Frau. Diese traurige Leistung ist ganz allein mein Vorrecht. Sei stark und vertraue den Männern. Sie sind die besten, die ichin einem Umkreis von zweihundert Meilen finden konnte. Sie essen und trinken gern, aber sie sind zu höflich, um das zuzugeben. Leb wohl, meine geliebte Frau. Zur goldenen Hochzeit sehen wir uns wieder.«
    Als Boff aufblickte, stand die Fürstin vor ihm. Sie war schrecklich aufgewühlt und konnte nicht aufhören zu weinen. »Ist das nicht rührend?«, fragte sie zitternd. »Mein Mann schenkt mir Männer. Zu unserer silbernen Hochzeit. Statt eines Rings. Damit ich mich nicht mehr fürchten muss.«
    Aus dem Hintergrund schleppten zwei schwarz bemalte Gestalten das nächste Beutestück an. Wahrscheinlich hatte es versucht, sich zu verteidigen. Das war ihm schlecht bekommen.
    Roster, der Anführer, stellte sich und seine Leute vor. Keinen von ihnen konnte man sich auf einem Platz in der Stadt vorstellen. Sie waren Männer für den Wald und die Wildnis, für die Schlacht und das Einsammeln von Feinden.
    »Wenn wir ein Lager für die Nacht haben, sind wir hoch zufrieden«, sagte Roster in einem Deutsch mit skandinavischer Tönung. »Alles andere wissen wir uns zu besorgen. In einer halben Stunde werdet Ihr wissen, wer Euch geärgert hat. Sie müssen nur wieder aufwachen, damit wir sie befragen können.«
    Allen schwarzen Gesichtern sah man an, dass sie sich darauf schon sehr freuten. Den Gesichtern der Beutestücke auf dem Boden sah man auch etwas an: Todesangst und die Bereitschaft, in sehr kurzer Zeit sehr viele Geständnisse abzulegen.
    Es war, als sei ein Fass voller Lebensmut in die Fürstin hineingeflossen. Augenblicklich begann sie, die Quartierfrage zu klären. Sie schickte Boten, die aus dem Dorf Dienstleute holen sollten.
    Aber so energisch sie sich auch gab, eine Überraschung wartete noch auf sie. Das war, als Roster und Boff sich gegenüberstanden. Lange blickten sie sich an, spät zog Lächeln in ihre Gesichter ein, sie lagen sich in den Armen, und Boff sagte: »Die Wette habe ich gewonnen.«
    Roster entgegnete: »Es gab einmal eine Zeit, in der die Menschen glaubten, Europa sei ein großer Kontinent, und wen man einmal gesehen habe, den werde man nie wieder sehen. Das ist ein Irrtum.«
    Schlagartig wechselten sie in eine Sprache, die weder die Fürstin noch Rohwedder kannten. Sie hatten sich viel zu erzählen. Die Fürstin blickte den jungen Gelehrten an, der zuckte die Schultern und sagte: »Der Kerl ist immer für ein Geheimnis gut. Selbst ich weiß nicht alles über ihn.«

52
    Sie brauchten zwei Tage, um alle Männer einzufangen, die von Ärzten aus Halle gegen die Fürstin ins Feld geschickt worden waren. Sie blieben zehn weitere Tage, um Präsenz zu zeigen. Sie ließen sich in den Dörfern sehen und auch in Halle. Wenn sie durch den Ort schritten, nie allein, immer zu dritt oder viert, war allen klar, dass sie einer Armee begegneten. Die Halleschen Büttel fürchteten sich davor, gegen diese Männer einschreiten zu müssen. Ein Büttel reichte seine Kündigung ein, bevor er Gelegenheit bekommen würde, sich vor Angst in die Hose zu machen. Für die Garnison in der Stadt galt ab sofort strengste Kasernierung.
    Am Abend seiner Kündigung geriet der Ex-Büttel in eine Wirtshausschlägerei. Vier örtliche Trunkenbolde machten sich über ihn her, bevor sie von starken Armen vom Büttel gepflückt und gegen die Hauswände geschleudert wurden, wo sie sich nicht mehr rührten. Während der Ex-Büttel noch nach Worten suchte, um sich bei seinen Rettern zu bedanken, waren sie längst weitergezogen. Sie hatten nicht einmal ihr Gespräch unterbrochen.
    Die Männer, die den Stadtphysicus am frühen Morgen verhafteten, wirkten nicht besonders martialisch.

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