Doctor Sleep (German Edition)
Hände auf die Ablage zwischen den Vordersitzen gestützt.
»Nicht vollständig, und wir hatten nicht viel Zeit, aber sie wusste genug. In welcher Stadt deine Mutter ihr Praktikum gemacht hat, wusste sie nicht, aber dass es in Vermont war. Und dass sie eine kurze Affäre mit ihrem Betreuungslehrer hatte. Der, wie sie sagte, nebenbei Schriftsteller war.« Dan machte eine Pause. »Mein Vater war Schriftsteller. Er hatte zwar erst ein paar Kurzgeschichten veröffentlicht, aber teilweise in sehr bekannten Zeitschriften wie dem Atlantic Monthly . Nach seinem Namen hat Concetta nie gefragt, und Alessandra hat ihn auch nie von sich aus erwähnt, aber falls ihre Unterlagen in diesem Koffer im Keller sind, wird darin wahrscheinlich stehen, dass sie von John Edward Torrance betreut wurde.« Er gähnte und warf einen Blick auf seine Armbanduhr. »Mehr kann ich jetzt beim besten Willen nicht erzählen. Gehen wir rauf. Drei Stunden Schlaf für uns alle, und dann auf nach Upstate New York. Die Straßen werden leer sein, also sollten wir gut vorankommen.«
»Schwörst du mir, dass sie in Sicherheit ist?«, fragte Lucy.
Dan nickte.
»Na gut, ich werde warten. Aber wirklich nur drei Stunden. Wenn du allerdings meinst, ich könnte einschlafen …« Sie lachte, doch in ihrer Stimme lag keinerlei Humor.
9
Als sie Concettas Wohnung betreten hatten, schritt Lucy direkt zur Mikrowelle in der Küche, stellte den Timer ein und zeigte darauf. Dan nickte, dann gähnte er wieder. »Halb vier, dann geht’s los.«
Sie betrachtete ihn mit ernster Miene. » Weißt du, am liebsten würde ich ohne euch losfahren. Gleich in dieser Minute.«
Er lächelte schwach. »Ich glaube, du solltest lieber erst den Rest der Geschichte hören.«
Sie nickte grimmig. »Das und die Tatsache, dass meine Tochter sich von dieser Droge erholen muss, sind die einzigen Dinge, die mich aufhalten. Und jetzt legt euch hin, bevor ihr mitten im Zimmer umfallt.«
Dan und John nahmen das Gästezimmer. An der Tapete und den Möbeln war zu erkennen, dass es hauptsächlich für den Besuch einer gewissen jungen Dame bereitgestanden hatte, aber gelegentlich hatte Concetta offenbar auch andere Gäste gehabt, denn es gab zwei Betten.
Als sie im Dunkeln lagen, sagte John: »Es ist wohl kein Zufall, dass dieses Hotel, in dem du als Kind warst, auch in Colorado stand, stimmt’s?«
»Stimmt.«
»Dann hält der Wahre Knoten, wie du ihn nennst, sich an demselben Ort auf?«
»Genau.«
»Und in dem Hotel hat’s gespukt, wie du mir erzählt hast.«
Die Geisterleute, dachte Dan. »Ja.«
Daraufhin sagte John etwas, was Dan überraschte und ihn vorübergehend vom Rand des Schlafes zurückholte. Dave hatte recht gehabt – am leichtesten übersah man etwas, was sich direkt vor der eigenen Nase befand. »Eigentlich ist das ganz logisch, denke ich … jedenfalls sobald man die Vorstellung akzeptiert, dass es übernatürliche Wesen unter uns gibt, die sich von uns ernähren. Ein unheilvoller Ort muss unheilvolle Kreaturen anziehen. Die fühlen sich dort ganz zu Hause. Meinst du, diese Leute verfügen anderswo im Land über ähnliche Orte? Orte, die ebenfalls eine … wie soll ich es nennen … kalte Energie ausstrahlen?«
»Bestimmt.« Dan legte den Arm über die Augen. Sein ganzer Körper schmerzte, und ihm dröhnte der Kopf. »John, ich würde gern die ganze Nacht mit dir quatschen wie zwei Jungs bei einer Pyjamaparty, aber ich brauche wirklich mal eine Mütze Schlaf.«
»Klar, aber …« John stützte sich auf einen Ellbogen. »Eigentlich hätten wir gleich vom Krankenhaus aus starten können, wie Lucy es wollte. Weil dir Abra doch genauso am Herzen liegt wie ihr. Du meinst zwar, dass sie in Sicherheit ist, aber da könntest du dich ja täuschen.«
»Tue ich nicht.« Er hoffte, dass dem so war. Das musste er hoffen, denn es war einfach so, dass er jetzt nicht losfahren konnte. Wäre es nur nach New York gegangen, vielleicht. Aber es war weiter, und er musste schlafen. Sein ganzer Körper rief danach.
» Was ist denn los mit dir, Dan? Du siehst nämlich schrecklich aus.«
»Nichts. Bin bloß müde.«
Dann versank er, erst in Dunkelheit und dann in einen wirren Albtraum, in dem er durch endlose Flure rannte, während ihm ein Schatten folgte. Der schwang einen Roque-Schläger von einer Seite zur anderen, sodass die Tapete platzte und Gipswolken in die Luft stoben. Komm her, du kleiner Scheißkerl, brüllte der Schatten. Komm her, du Nichtsnutz, und hol dir, was du
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