Doctor Sleep (German Edition)
Störung des Fettstoffwechsels. Erblich und sehr selten. Führt zu einer vergrößerten Milz, neurologischen Störungen und normalerweise zu einem frühen, unangenehmen Tod. Der arme Junge hat praktisch Glasknochen und wird wahrscheinlich sterben, bevor er zehn ist. Aber woher weißt du überhaupt davon? Von seinen Eltern? Die Lloyds wohnen doch unten in Nashua, und das ist verdammt weit weg!«
»Du hattest Angst davor, mit ihm zu sprechen – wer unheilbar krank ist, bringt dich total durcheinander. Deshalb bist du in die Tigger-Toilette gegangen, um dir die Hände zu waschen, obwohl das gar nicht nötig war. Dabei hast du deine Armbanduhr abgenommen und sie auf das Regal gelegt, auf dem man Plastikflaschen mit diesem roten Desinfektionszeug aufbewahrt. Ich weiß nicht, wie es heißt.«
John D. starrte ihn an, als wäre er wahnsinnig geworden.
»In welchem Krankenhaus liegt dieser Junge?«, fragte Dan.
»Im Elliot. Von der Zeit her stimmt das in etwa, und ich bin tatsächlich auf die Toilette in der Nähe vom Stationszimmer gegangen, um mir die Hände zu waschen.« Er schwieg und runzelte die Stirn. »Stimmt, dort kleben die Disney-Figuren aus Winnie Puuh an der Wand. Aber wenn ich meine Uhr abgenommen hätte, dann würde ich mich doch daran erinn…« Er verstummte.
»Du erinnerst dich tatsächlich daran«, sagte Dan und lächelte. » Jetzt tust du’s jedenfalls. Oder etwa nicht?«
»Ich hab dort im Fundbüro nachgefragt. In Bridgton und Concord übrigens auch. Nichts.«
»Okay, dann ist vielleicht jemand nach dir reingekommen, hat die Uhr gesehen und sie geklaut. Wenn das so ist, hast du Pech gehabt … aber du kannst deiner Frau wenigstens sagen, was passiert ist. Und wieso es passiert ist. Du hast an diesen Jungen gedacht, hast dir Sorgen um ihn gemacht, und da hast du vergessen, deine Uhr wieder anzulegen, bevor du das Klo verlassen hast. So einfach ist das. Aber, hör mal, vielleicht ist sie sogar noch da. Schließlich ist das Regal ziemlich hoch, und das Zeug in diesen Plastikflaschen wird kaum verwendet, weil direkt neben dem Waschbecken ein Seifenspender ist.«
»Das Zeug auf dem Regal heißt Betadine«, sagte John. »Und das Regal ist so hoch, damit die Kinder nicht drankommen. Ist mir bisher nie richtig aufgefallen. Aber … Dan, warst du denn schon mal im Elliot?«
Das war keine Frage, die Dan beantworten wollte. »Sieh einfach mal auf dem Regal nach, Doc. Vielleicht hast du Glück.«
3
Am folgenden Donnerstag traf Dan früher als sonst beim Nüchternheitsmeeting ein. Sollte Doctor John beschlossen haben, wegen einer verloren gegangenen Armbanduhr seine Ehe und womöglich sogar seinen Beruf wegzuschmeißen (Alkoholiker taten das oft aus wesentlich geringfügigeren Gründen), dann musste jemand andres Kaffee kochen. Aber John war da. Die Uhr ebenfalls.
Diesmal war es John, von dem die Umarmung ausging. Eine ausgesprochen herzliche. Dan erwartete schon, nach französischer Sitte links und rechts auf die Wange geküsst zu werden, bevor DJ ihn losließ.
»Sie war genau da, wo du gesagt hast. Immer noch. Nach zehn Tagen. Es ist fast ein Wunder.«
»Na ja«, sagte Dan. »Die meisten Leute sehen nie nach oben. Das ist wissenschaftlich erwiesen.«
» Wie konntest du das nur wissen? «
Dan schüttelte den Kopf. »Das kann ich nicht erklären. Manchmal weiß ich so was einfach.«
» Wie kann ich dir danken?«
Das war eine Frage, die Dan erwartet und erhofft hatte. »Indem du dich an den zwölften Schritt hältst, Dummkopf.«
John D. hob die Augenbrauen.
»Anonymität. Simpel ausgedrückt – halt bloß die Klappe!«
Auf Johns Gesicht machte sich Verständnis breit. Er grinste. »Das schaff ich.«
»Gut. Dann mach jetzt Kaffee. Ich lege die Bücher raus.«
4
In den meisten AA -Gruppen Neuenglands wurden Jahrestage als Geburtstage bezeichnet und nach dem Meeting mit einer Party samt Kuchen gefeiert. Kurz bevor Dan sein drittes trockenes Jahr auf diese Weise begehen wollte, fuhren David Stone und Abras Urgroßmutter bei John Dalton – in manchen Kreisen als Doctor John oder DJ bekannt – vorbei, um ihn zur Feier eines anderen dritten Geburtstags einzuladen. Diese wurde von den Stones zu Ehren Abras veranstaltet.
»Das ist aber nett von Ihnen«, sagte John. »Und ich werde gern vorbeikommen, wenn es geht. Aber warum habe ich das Gefühl, dass das noch nicht alles ist?«
» Weil es tatsächlich nicht alles ist«, sagte Chetta. »Und dieser Trotzkopf da hat beschlossen, dass es endlich Zeit
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