Doctor Sleep (German Edition)
sogar zwanzig.«
»Ja, wenn er was vorbereitet hat.«
Es stellte sich heraus, dass Reggie Pelletier alias Der große Mysterio tatsächlich etwas vorbereitet hatte, und zwar etwas Gutes. Während sein treuer Assistent, der nicht-so-große Dave, den Tisch aufstellte und den Koffer öffnete, forderte Mysterio das Geburtstagskind und dessen Gäste auf, die Blume im Knopfloch zu bewundern. Als die Kinder näher kamen, spritzte ihnen daraus Wasser ins Gesicht, zuerst rot, dann grün, dann blau. Vom reichlich genossenen Süßkram aufgeputscht, kreischten die Kleinen vor Lachen.
»Und nun, liebe Kinder … Uh! Ah! Ih! Das kitzelt!«
Er nahm die Melone ab und zog ein weißes Kaninchen daraus hervor. Den Kindern verschlug es den Atem. Mysterio reichte das Kaninchen Abra, die es streichelte und weitergab, ohne dass man sie dazu auffordern musste. Dem Tier schien die Aufmerksamkeit nichts auszumachen. Vielleicht hatte es vor der Vorstellung ein paar mit Valium getränkte Pellets geknabbert, dachte John. Das letzte Kind gab es Mysterio zurück, der es wieder in den Hut steckte, mit der Hand darüberfuhr und dann die Innenseite des Huts vorzeigte. Bis auf das Futter in den Farben der amerikanischen Fahne war es leer.
» Wo ist das Häschen hin?«, fragte die kleine Susie Soong-Bartlett.
»In deine Träume, junge Dame«, sagte Mysterio. »Da wird es heute Nacht herumhüpfen. Na, wer will jetzt einen Zauberschal?«
Jungen wie Mädchen riefen »Ich, ich!«, worauf Mysterio Schals aus seinen Fäusten zog und verteilte. Es folgten weitere Tricks in rascher Abfolge. Laut John Daltons Armbanduhr standen die Kinder mindestens fünfundzwanzig Minuten im Halbkreis um den Zauberer und machten Stielaugen. Gerade als im Publikum erste Anzeichen von Unruhe erkennbar wurden, kam Mysterio zum Ende. Er zog fünf Teller aus seinem Koffer (der, als er ihn vorgezeigt hatte, scheinbar so leer gewesen war wie sein Hut), jonglierte damit und sang dabei »Happy Birthday « . Alle Kinder stimmten ein, und Abra schien vor Freude fast in der Luft zu schweben.
Die Teller kamen wieder in den Koffer. Mysterio zeigte dessen Inneres noch einmal vor, damit die Kinder sehen konnten, dass er leer war, dann zog er ein halbes Dutzend Löffel heraus. Die hängte er sich ins Gesicht, den letzten an die Nasenspitze. Davon war das Geburtstagskind besonders begeistert; es ließ sich lachend ins Gras plumpsen und umklammerte sich vor Freude mit den Armen.
»Abba kann das auch!«, verkündete Abra, die in letzter Zeit gern in der dritten Person von sich sprach, was David als ihre Cäsarenphase bezeichnete. »Abba kann Löffeln machen!«
»Na, das ist aber prima, Schatz«, sagte Mysterio, ohne den Einwurf richtig zu beachten. Das konnte man ihm nicht übel nehmen, schließlich hatte er gerade eine erstklassige Kindershow hingelegt. Trotz der kühlen Brise, die vom Fluss heraufzog, war sein Gesicht rot und verschwitzt, und er hatte noch seinen großen Abgang vor sich, bei dem er mit seinem Riesendreirad den Hang hinauffahren musste.
Er beugte sich zu Abra und tätschelte ihr mit seinem weißen Handschuh den Kopf. »Alles Gute zum Geburtstag! Und danke, liebe Kinder, dass ihr so ein tolles Pub…«
Im Inneren des Hauses ertönte ein lautes, musikalisches Klirren, ganz ähnlich wie der Klang der Glöckchen, die am Lenker des Godzilla-Dreirads hingen. Die Kinder warfen nur einen kurzen Blick in die Richtung, aus der das Geräusch kam, dann drehten sie sich wieder um und beobachteten, wie Mysterio davonfuhr. Lucy hingegen stand auf, um nachzusehen, was da wohl in der Küche umgefallen war.
Zwei Minuten später kam sie wieder in den Garten. »John, sehen Sie sich das mal an«, sagte sie. »Ich glaube, darauf haben Sie gewartet.«
12
John, Lucy und Concetta standen in der Küche und blickten schweigend an die Decke. Keiner der drei drehte sich um, als David zu ihnen stieß; sie waren regelrecht hypnotisiert. » Was ist …«, fing er an, dann sah er, was war. »Heiliger Bimbam!«
Darauf erhielt er keine Antwort. David starrte noch ein wenig länger hin und versuchte zu begreifen, was er da sah, dann verschwand er wieder. Als er wenig später zurückkam, hatte er seine Tochter an der Hand. Abra hielt einen Luftballon. Sie hatte den von Mysterio stammenden Schal wie eine Schärpe um die Taille geschlungen.
John Dalton ließ sich neben ihr auf ein Knie nieder. » W arst du das, Schatz?« Das war eine Frage, deren Antwort sie sicherlich kannte, aber er wollte hören,
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