Doctor Sleep (German Edition)
einige der anderen Damen schwarzgeärgert. Token Charlie war ebenfalls nicht gerade begeistert. Er sagte, er habe fünf Ziehungen lang auf B7 gewartet, als G schließlich Bingo gerufen habe.
»Greedy, du hast mehr Glück als Verstand«, hat er gesagt.
»Und du hast mehr Unverstand als Glück«, hat sie erwidert und ist glucksend davongegangen.
Wenn einer der Wahren in eine Radarfalle gerät oder wegen einem geringfügigen Verkehrsdelikt angehalten wird – das kommt selten, aber doch mal vor –, findet der betreffende Cop nichts als gültige Führerscheine, Versicherungskarten und sonstige Dokumente in makelloser Anordnung. Niemand wird laut, während der Cop mit seinem Strafzettelblock dasteht, selbst wenn er seine Opfer offensichtlich hereinlegen will. Die Vorwürfe werden nie bestritten, und sämtliche Strafen werden prompt bezahlt. Amerika ist ein lebendiger Körper, die Highways sind seine Arterien, und der Wahre Knoten gleitet wie ein lautloses Virus auf ihnen entlang.
Nur Hunde hat er keine.
Gewöhnliche Wohnmobilleute reisen meist mit Hundebegleitung, normalerweise mit diesen kleinen Kackmaschinen mit weißem Fell, kitschigem Halsband und fiesem Charakter. Ihr kennt die Sorte; ihr Kläffen tut in den Ohren weh, und in ihren hinterlistigen Äuglein leuchtet eine beunruhigende Intelligenz. An Raststätten sieht man sie in dem Gras der ausgewiesenen Hundeauslaufflächen schnüffeln, gefolgt von ihren Besitzern, die Plastiktüten und Kotschaufeln parat halten. Neben den üblichen Stickern und Stoßstangenaufklebern sieht man auf den Wohnmobilen dieser gewöhnlichen Wohnmobilleute gelbe, rautenförmige Abzeichen mit der Aufschrift SPITZ AN BORD oder ICH ♥ MEINEN PUDEL .
Nicht so beim Wahren Knoten. Dessen Mitglieder mögen keine Hunde, und das beruht auf Gegenseitigkeit. Man könnte sagen, Hunde durchschauen ihre Tarnung. Hunde sehen die scharfen, wachsamen Augen hinter den billigen Sonnenbrillen. Die starken, sehnigen Jägerbeine unter den Polyesterhosen von Walmart. Die scharfen Zähne, die unter den Prothesen darauf warten, sich zu entblößen.
Der Wahre Knoten mag keine Hunde, aber Kinder mag er durchaus.
O ja, Kinder mag er sogar sehr.
2
Im Mai 2011, nicht lange nachdem Abra Stone ihren zehnten Geburtstag gefeiert hatte und Dan Torrance sein zehntes trockenes AA -Jahr, klopfte Crow Daddy an der Tür von Rose’ EarthCruiser. Die Wahren hatten sich momentan auf dem Kozy Kampground am Rand von Lexington, Kentucky, niedergelassen. Sie waren auf dem Weg nach Colorado, wo sie den größten Teil des Sommers in einem ihrer Rückzugsorte verbringen wollten. Es war ein Ort, den Dan manchmal in seinen Träumen wieder aufsuchte. Normalerweise hatten sie es nicht eilig, irgendwohin zu kommen, doch in diesem Sommer herrschte eine gewisse Dringlichkeit. Das war allen bewusst, obwohl keiner darüber sprach.
Rose würde sich darum kümmern. Das hatte sie immer getan.
»Komm rein«, sagte sie, und Crow Daddy trat ein.
Wenn er geschäftlich unterwegs war, trug er immer einen guten Anzug und teure, auf Hochglanz polierte Schuhe. Fühlte er sich danach, wie ein Gentleman der alten Schule aufzutreten, nahm er sogar einen Spazierstock mit. An diesem Morgen trug er von Hosenträgern gehaltene Schlabberhosen, ein Träger-T-Shirt mit einem Fisch darauf (darunter stand FISCH MICH! ) und eine flache Arbeitermütze, die er sich vom Kopf wischte, während Rose hinter ihm die Tür schloss. Er fungierte gelegentlich als ihr Lover und außerdem als ihr Stellvertreter, aber er versäumte es nie, ihr seinen Respekt zu bezeugen. Das gehörte zu den vielen Aspekten, die Rose an ihm schätzte. Sie hatte keinen Zweifel, dass die Wahren unter seiner Führung weitermachen konnten, falls sie starb. Eine Weile zumindest. Aber weitere hundert Jahre? Womöglich nicht. Wahrscheinlich nicht. Crow war ausgesprochen eloquent und kam wunderbar zurecht, wenn er mit Tölpeln umgehen musste, aber er besaß nur rudimentäre planerische Fähigkeiten und keinen echten Weitblick.
An diesem Morgen sah er besorgt aus.
Rose saß in Caprihosen und einem einfachen weißen BH auf dem Sofa, rauchte eine Zigarette und betrachtete auf ihrem großen, an die Wand montierten Fernseher die dritte Stunde der Today Show . Das war die Stunde mit dem Vermischten, in der berühmte Köche auftraten und Schauspieler für ihre neuen Filme warben. Ihren Zylinder hatte Rose in den Nacken geschoben. Crow Daddy kannte sie schon länger, als die Lebenszeit eines Tölpels
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