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Doctor Sleep (German Edition)

Doctor Sleep (German Edition)

Titel: Doctor Sleep (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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verspürte einen schier unüberwindlichen Drang einzukehren. Einen Krug Bier zu bestellen und sich genügend Quarter zu besorgen, um mindestens eine Stunde lang die Jukebox zu füttern. Dazusitzen und Jennings und Jackson und Haggard zu lauschen, ohne sich mit irgendjemand zu unterhalten, ohne irgendwelchen Mist zu bauen, sich einfach nur zu besaufen. Spüren, wie das Gewicht der Nüchternheit – manchmal war es, als würde er Schuhe aus Blei tragen – von ihm abfiel. Wenn er nur noch fünf Quarter-Münzen hatte, würde er jeweils sechsmal hintereinander » Whiskey Bent and Hellbound« laufen lassen.
    Er fuhr an der Kneipe vorbei, bog auf den riesigen Parkplatz von Walmart gleich dahinter ein und klappte sein Handy auf. Er ließ den Finger über Caseys Nummer schweben, dann erinnerte er sich an das schwierige Gespräch im Café. Womöglich wäre Casey darauf zurückgekommen, vor allem auf die Frage, was Dan womöglich verschweige. Das wäre ein echter Rohrkrepierer.
    Dan kam sich vor wie bei einer außerkörperlichen Erfahrung, während er zur Kneipe zurückfuhr und sich ganz hinten auf den ungeteerten Parkplatz stellte. Er fühlte sich gut dabei. Außerdem fühlte er sich wie jemand, der gerade eine geladene Pistole in die Hand genommen hatte und sich an die Schläfe hielt. Sein Fenster war offen, und er hörte, wie eine Live-Band einen alten Song der Derailers spielte: »Lover’s Lie«. Die Typen hörten sich gar nicht schlecht an, und mit ein paar Gläsern Bier intus würden sie sich toll anhören. Bestimmt saßen da drin ein paar Frauen, die tanzen wollten. Frauen mit lockigen Haaren und allerhand Schmuck, mit Röcken und Cowboyblusen. Die waren immer da. Er fragte sich, welche Sorte Whiskey man da wohl einschenkte, und Mann, Mann, Mann, o Mann, er war so durstig. Er öffnete die Wagentür, stellte einen Fuß auf den Boden, blieb jedoch mit gesenktem Kopf sitzen.
    Zehn Jahre. Zehn gute Jahre, und die konnte er in den nächsten zehn Minuten wegschmeißen. Es wäre leicht genug, das zu tun. Wie Honig für eine Biene.
    Wir haben alle einen absoluten Tiefpunkt. Eines Tages wirst du irgendjemand von deinem Tiefpunkt erzählen müssen. Wenn du das nicht tust, wirst du dich irgendwann mit einem Glas Schnaps in der Hand in einer Kneipe wiederfinden.
    Und daran kann ich dir die Schuld geben, Casey, dachte er kühl. Ich kann sagen, das hast du mir beim Kaffeetrinken in den Kopf gesetzt.
    Über der Tür war ein rot blinkender Pfeil angebracht, dazu der Schriftzug: BIS 21 UHR $ 2 PRO KRUG MILLER LITE LOS KOMM REIN.
    Dan zog die Wagentür zu, klappte sein Handy wieder auf und rief John Dalton an.
    »Na, wie geht es deinem Kumpel?«, fragte John.
    »Der liegt gut versorgt im Krankenhaus und wird morgen früh um sieben operiert. John, ich hab Lust, mir einen hinter die Binde zu kippen.«
    »O neiiin!«, rief John mit hoher Fistelstimme. »Doch nicht etwa Alkohoool?! «
    Und mir nichts, dir nichts war das Bedürfnis verschwunden. Dan lachte. »Okay, das hab ich jetzt gebraucht. Aber wenn du je wieder Michael Jackson spielst, trinke ich tatsächlich was.«
    »Du solltest mich mal hören, wenn ich ›Billie Jean‹ zum Besten gebe. Ich bin ein wahres Karaoke-Monster. Darf ich dich was fragen?«
    »Klar.« Durch die Windschutzscheibe sah Dan, wie die Gäste des Cowboy Boot kamen und gingen. Vermutlich unterhielten sie sich nicht gerade über Michelangelo.
    »Diese Gabe, die du da hast, hat das Saufen sie … wie soll ich sagen … zum Schweigen gebracht?«
    »Es hat sie gedämpft. Hat ihr ein Kissen aufs Gesicht gepresst, sodass sie nach Luft ringen musste.«
    »Und jetzt?«
    » Wie Superman nutze ich meine Kräfte, um Wahrheit, Gerechtigkeit und dem American Way of Life Geltung zu verschaffen.«
    »Das heißt, du willst nicht drüber sprechen.«
    »Nein«, sagte Dan. »Das will ich nicht. Aber es ist besser geworden. Besser, als ich es mir je hätte vorstellen können. Als Jugendlicher …« Er verstummte. Als Jugendlicher hatte er jeden Tag dagegen angekämpft, verrückt zu werden. Die Stimmen in seinem Kopf waren schlimm gewesen, die Bilder häufig noch schlimmer. Er hatte sowohl seiner Mutter wie sich selbst versprochen, dass er nie wie sein Vater trinken werde, aber als er in seinem ersten Highschool-Jahr damit angefangen hatte, war es eine so gewaltige Erleichterung gewesen, dass er sich – zuerst – gewünscht hatte, früher damit angefangen zu haben. Der Kater am Morgen war wesentlich besser als Albträume die ganze

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