Doener, Machos und Migranten
hastig eine Zigarette vor der Eingangstür.
Bereits nach kurzer Zeit fiel Domenik durch unangemessenes Verhalten auf. Er fing an, Geräusche zu erzeugen, gab unverschämte Antworten und verweigerte die Mitarbeit im Unterricht sowohl bei mir als auch bei der Kollegin der Parallelklasse, die ihn in den klassenübergreifenden Mathematikstunden unterrichtete. Zudem fehlte der Junge häufig, sodass er in zahlreichen Fächern gravierende Lernrückstände aufwies. In den Pausen, aber auch während des Unterrichts war er oft in Konflikte mit seinen Mitschülern verwickelt. Er schlug auf kleine Mitschüler ein, bespuckte oder beleidigte sie. Hausaufgaben machte er grundsätzlich nicht. Wenn er sie dennoch ausnahmsweise einmal erledigt hatte, waren sie entweder unleserlich oder er hatte die falschen Aufgaben gemacht. Darauf angesprochen, erklärte er: «Ich dachte, es wären diese Aufgaben und nicht die anderen.» Viel häufiger kam es jedoch vor, dass er das Heft mit den Hausaufgaben zu Hause auf dem Tisch vergessen hatte. Rief ich dann bei seinem Vater an und fragte nach, so bestätigte er Domeniks Aussage. Dummerweise konnte er die Hausaufgaben auch am folgenden Tag meistens nicht vorzeigen, weil stets ein Malheur mit seinem Heft passiert war: Mal hatten seine jüngeren Geschwister das Heft mit Schokolade verschmiert oder genau die Seite mit den Aufgaben herausgerissen oder der Vater hatte aus Versehen Kaffee über das Heft geschüttet. Mit anderen Worten: Domeniks Arbeitsmaterialien waren unvollständig oder sie fehlten gänzlich.
Zunächst versuchte ich, in einem Gespräch mit seinem Vater einvernehmliche Lösungen zu finden und verbindliche Vereinbarungen zu treffen. Anfangs zeigte sich der Mann kooperativ und versprach, ein Kontaktheft anzuschaffen, in dem ich täglich Domeniks Verhalten positiv wie auch negativ aufschreiben sollte. Leider konnte ich meinen Teil dieser Vereinbarung nicht einhalten, weil Domenik ständig sein Mitteilungsheft nicht finden konnte oder es zu Hause gelassen oder angeblich verloren hatte.
Es kam immer wieder vor, dass Domenik wegen seines störenden Verhaltens von mir oder der Kollegin in den oben bereits beschriebenen Trainingsraum geschickt werden musste. Musste er zum fünften Mal innerhalb von vier Wochen in diesen Raum, durfte er erst wieder am Unterricht teilnehmen, wenn sein Vater zu einem Gespräch in der Schule erschienen war. Dieses pädagogische Prinzip findet bei allen Schülern unserer Schule Anwendung. Domeniks Vater wurde sozusagen «Stammgast» in unserer Schule, was für ihn als Alleinerziehenden recht zeitaufwändig war. Da auch die Kollegin der Parallelklasse Domenik mehrfach in den Trainingsraum schickte, nahm meistens auch sie an diesen «Rückkehrgesprächen» teil. Aufgrund ihrer Erfahrungen mit Domeniks Vater weigerte sie sich, diese Gespräche nur mit mir allein zu führen, und bestand auf der Anwesenheit des Schulleiters.
Bei einem dieser Gespräche ging es darum, dass Domenik im Unterricht und in den Pausen zum wiederholten Mal andere Schüler geschlagen hatte. Sein Vater hörte sich die Klagen über das Verhalten seines Sohnes zunächst ruhig an und betonte, wie gut er verstehen könne, dass wir um das Wohl der Schüler besorgt seien. Allerdings würden wir ihn immer nur anrufen, wenn Domenik der «Böse» gewesen sei und seinen Mitschülern etwas angetan habe. Er verstünde jedoch nicht, warum sein Sohn gestern mit einer dicken Beule am Kopf ausder Pause gekommen sei und mir sein Leid geklagt hätte, ich aber nichts unternommen hätte. Ein größerer Schüler hätte Domenik gegen das Eisentor geschleudert. Daraufhin hätte sein Sohn starke Kopfschmerzen bekommen, aber nicht nach Hause gehen dürfen. Ich konnte mich daran erinnern, dass Domenik – wie schon häufiger zuvor – über Kopfschmerzen geklagt hatte, aber eine Beule am Kopf hatte ich nicht gesehen. Auch die Folgegeschichte mit dem älteren Mitschüler war mir gänzlich neu. Es war eine Masche, mit der Domenik immer wieder versuchte, eher aus dem Unterricht entlassen zu werden. Mal hatte er Bauchschmerzen, mal Kopfschmerzen, mal tat ihm der Rücken weh. Entließ ich ihn dann aus dem Unterricht, wurde er anschließend von Mitschülern auf der Straße beim Spielen gesichtet.
In diesem Fall nun aber verwies Domeniks Vater auf ein ärztliches Attest, das ein Hämatom am Kopf bestätige. Daraufhin blickte mich der Schulleiter mit fragenden Augen an. Die Argumentation von Domeniks Vater war eindeutig:
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