Doener, Machos und Migranten
Er wolle augenblicklich mit ihm sprechen, auch wenn er keinen Termin habe. Dieser aggressive Auftritt verschreckte einige Kinder, die zu weinen begannen. Als der Mann sich weigerte, das Schulgebäude zu verlassen, wurde er vom Hausmeister hinauskomplimentiert und erhielt sehr zu unserer Erleichterung von nun an Hausverbot. Laut Schulakte war dies nicht sein erstes Hausverbot. Bereits von der Grundschule seines Sohnes war er nach einigen «Auftritten» mit einem solchen belegt worden.
Nahezu täglich telefonierte ich mit der zuständigen Sozialarbeiterin. Ich musste sie über alle Vorfälle in der Schule schriftlich informieren. Ein Gerichtsverfahren, bei dem Domeniks Vater Auflagen zur Kindeserziehung bekommen sollte, stand an. In diesem Gerichtsverfahren wurden die eigentlich selbstverständlichen Erziehungsaufgaben wie regelmäßiger Schulbesuch, Vollständigkeit der Unterrichtsmaterialien usw. festgelegt. Sollte der Vater sich nicht an diesen richterlichen Beschluss halten, drohte eine Heimunterbringung seines Sohnes.
Da Domeniks Vater sich auch weigerte, das Besuchsrecht der Mutter seiner beiden jüngeren Töchter zu akzeptieren und sich daran zu halten, wurde das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die beiden Mädchen vom Gericht der Mutter zugesprochen. Die Kinder mussten mit Hilfe der Polizei aus der Wohnung geholt werden und lebten von da an bei der Mutter.
Eines Tages und ohne irgendein Vorzeichen erhielt ich den Bescheid, dass Domenik nicht mehr Schüler unserer Förderschule und damit auch nicht mehr mein Schüler war. Sein Vater hatte ihn in einem anderen Stadtteil in einer anderen Förderschule angemeldet. Er wollte einen Neuanfang für seinen Sohn und nahm dafür auch die anfallenden Fahrtkosten in Kauf. Dass der Schulwechsel vom gesamten Kollegium meiner Schule freudig aufgenommen wurde, ist wohl verständlich.
Dennoch sollte ich noch weiter von Domenik hören. Ein Vierteljahr später standen zwei Kriminalbeamte im Lehrerzimmer und wollten mit mir sprechen. Domenik wurde verdächtigt, eine Lagerhalle angezündet zu haben, die anschließend abgebrannt war. Die Polizisten wollten meine Meinung zu dem Sachverhalt wissen und ob ich ihm so etwas zutrauen würde. Das konnte ich zweifellos, allerdings wunderte ich mich über den Ort. Ich hätte mir auch vorstellen können, dass Domenik seine ehemalige Förderschule in Brand steckte. Was aus der Sache geworden ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Hin und wieder erzählen mir Schüler, dass sie Domenik rauchend auf der Straße gesehen hätten. Er würde sie dann meistens unmotiviert beleidigen und ihnen den Stinkefinger zeigen.
Leider lebt Domenik nach wie vor bei seinem Vater, der mit der Erziehung seines Sohnes völlig überfordert ist. Den zuständigen Behörden ist es bisher nicht gelungen, Domenik ineinem Kinderheim oder in einer Pflegefamilie unterzubringen. Überwiegt hier die Kostenfrage das Kindeswohl?
6. «Das kann ich dem Kleinen nicht antun» – Fatme
«Guten Abend, hier spricht Frau Durmaz. Könnte ich bitte einmal Ihre Tochter Fatme sprechen. Es geht um unser Klassenfrühstück. Ich wollte Fatme noch kurz etwas mitteilen.»
Unüberhörbar dröhnte der Fernseher durch die Telefonmuschel. Ich konnte mein eigenes Wort fast nicht verstehen. Fatmes Vater brüllte in den Hintergrund, von wo ein lautes Gezeter und andere laute Stimmen zu hören waren. Ich hatte den Eindruck, als würde ein Mann mit einem Kind schimpfen und andere Leute würden sich streiten.
Endlich kam Fatme an den Hörer, doch auch sie war kaum zu verstehen, was einerseits an den enormen Hintergrundgeräuschen und anderseits an der extrem leisen Sprechweise des Mädchens lag. Ich teilte ihr kurz mit, was ich ihr mitteilen wollte, dann verabschiedeten wir uns. Mir ging der Gedanke durch den Kopf, ob ich noch einmal anrufen und dem Vater ausdrücklich erklären sollte, dass seine Tochter nichts angestellt hatte. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass dieser Eindruck bei Fatmes Vater entstanden sein könnte. Die Deutschkenntnisse der Eltern waren sehr begrenzt und eine Kommunikation per Telefon ist weit schwieriger als von Angesicht zu Angesicht. Also beließ ich es bei dem einen Telefonat und hoffte, keinen Ärger provoziert zu haben. In solchen Fällen missverstandener Kommunikation war es in anderen Familien schon zu Schlägen gekommen.
Am nächsten Tag fragte ich Fatme noch vor dem Unterricht, ob alles in Ordnung sei. Das Mädchen blickte mich mit ihrem Engelsgesicht und
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