Doener, Machos und Migranten
gehört zu den Mädchen, die Gefahr laufen, sehr früh schwanger zu werden und es gibt niemanden, der sie davor schützen kann. Nach den Sommerferien bekam ich eine neue Klasse und Laura einen neuen Klassenlehrer. Er kennt die Vorkommnisse und wurde von mir über Lauragenau ins Bild gesetzt. Bleibt nur zu hoffen, dass es ihr gelingt, nicht schon als Minderjährige Mutter zu werden.
9. Immer unter Strom – Hassan
Hassan besucht derzeit meine 7. Klasse. Mittlerweile unterrichte ich ihn im vierten Jahr. Hassan entstammt einer streng gläubigen libanesischen Großfamilie, die insgesamt zehn Kinder hat, von denen die drei ältesten bereits verheiratet wurden. Zwei weitere Brüder Hassans gingen ebenfalls auf meine Schule.
Genau genommen handelt sich bei Hassans Familie um einen großen Clan. Seine Eltern haben acht bzw. zehn Geschwister, die wiederum vergleichbar viele Kinder haben. Eine bloße Verheiratung gemäß dem «Görücü usulu» reicht ihnen bei weitem nicht. Im Alter von 17 Jahren sind die Söhne und Töchter im besten Heiratsalter und werden nur innerhalb der Familie verheiratet. Daher ist es nicht ungewöhnlich, dass Hassans Brüder mit seinen Cousinen mütterlicherseits oder väterlicherseits verehelicht sind. Obwohl drei Enkelkinder von Hassans Eltern mit einer geistigen Behinderung geboren wurden, hält die Familie an dem Brauch der Verheiratung unter Blutsverwandten fest. Für sie stellt die Geburt der Enkelkinder mit einer Behinderung eine Form von «Allahs Willen» dar.
Hassan ist ein sehr dünner Schüler, der seit einem Bauernhofbesuch der Klasse den Spitznamen «Spargel» trägt. In all den Jahren, die ich ihn nun kenne, habe ich nicht ein einziges Mal erlebt, dass er ein Pausenbrot mit zur Schule gebracht hat. Während des Fastenmonats Ramadan hält er sich besonders streng an die Essenszeiten. Hassan ist ein sehr lebhafterSchüler, der kaum ruhig auf seinem Stuhl sitzen kann. Obwohl er bereits einen Einzelplatz in unmittelbarer Lehrernähe hat, neigt er dazu, sich und seine Mitschüler abzulenken. Er benötigt viel Ruhe und Lehrerunterstützung, um sich aufmerksam einer Sache widmen zu können. Dennoch arbeitet er meist schnell und oberflächlich. Hassan kommt nur sehr unregelmäßig zur Schule. In der Regel fehlt er an drei bis vier Tagen in der Woche unentschuldigt. Durch seine Fehlzeiten versäumt er wichtige Unterrichtsinhalte und kann die gestellten Aufgaben nur mit viel Unterstützung lösen. Wenn Hassan denn schließlich zur Schule kommt, ist er – genau wie seine älteren Brüder – häufig in Streitigkeiten verwickelt, in denen er leicht die Beherrschung verliert. Die Einsicht, dass sein eigenes Verhalten die Konflikte befördert, fehlt ihm gänzlich.
Mehrfach wurden die Eltern angemahnt, für einen regelmäßigen Schulbesuch ihres Sohnes zu sorgen. Eine Reaktion blieb jedes Mal aus. Mit anderen Worten: Eine Zusammenarbeit mit den Eltern ist nicht möglich. Sie zeigen sich wenig kooperativ und interessieren sich kaum für die schulischen Belange ihrer Kinder. Obwohl es in Deutschland eine gesetzliche Schulpflicht gibt, habe ich bislang stets die Erfahrung machen müssen, dass bei Schulverweigerern die Gesetze nicht greifen. Zunächst erfolgt ein erster Mahnbrief seitens der Schule. Reagieren die Eltern nicht, folgt ein zweites Anschreiben. Ein telefonischer Kontakt kommt in der Regel nicht zustande, weil die Eltern über keinen Festnetzanschluss verfügen. Da die Handynummern ständig wechseln, sind weder Mutter noch Vater zu erreichen. Wenn ich dennoch überraschenderweise einmal Hassans Mutter auf dem Handy erreichte, lautete die stereotype Antwort: «Hassan krank.» Im Allgemeinen erscheint nach einem solchen Anruf der Junge am nächsten Tag in der Schule, fehlt jedoch an den darauf folgenden Tagen erneut.
Das Verfahren geht weiter: Nun schaltet meine Schule das Schulamt ein. Die Kopien der Anschreiben an die Eltern werden dorthin gesandt, verbunden mit der Bitte, ein Bußgeldverfahren einzuleiten. Das Schulamt fordert die Eltern nun schriftlich auf, zu den Schulversäumnissen ihres Sohnes Stellung zu nehmen. Für gewöhnlich reagiert die Familie nicht. Beide Eltern beziehen Arbeitslosengeld II (Hartz IV) und können somit nicht gepfändet werden. Den Mitarbeitern des Jugendamtes ist die Familie sehr wohl bekannt. Aber auch ihnen gegenüber verweigert sie sämtliche Angebote zur Zusammenarbeit.
Weder mit seinem Verhalten noch mit der Frequenz seines Schulbesuchs konnte
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