Doener, Machos und Migranten
vorbereitet werden. Weder meine Pädagogikausbildung noch das angelesene Wissen halfen mir ineiner solchen Situation weiter. Nur Fachleute konnten der Frau wirklich weiterhelfen.
Nach Schulschluss versuchte ich, mit Laura über die häusliche Situation zu sprechen. Wie immer tat sie, als sei alles in bester Ordnung. Zusammengefasst lauteten ihre Antworten auf meine Fragen: «Ich habe keine Probleme. Meine Mutter leidet unter Halluzinationen. Ich verstehe mich lediglich sehr gut mit dem neuen Freund meiner Mutter und mehr nicht.» Mir war schnell klar, dass das Mädchen eine unsichtbare Mauer um sich herum errichtet hatte, durch die ich nicht bis zu ihr drang. Sie blockte das Gespräch ab.
Ich rief ihre Mutter an und gab ihr die Telefonnummer der Erziehungsberatungsstelle. Zudem bat ich sie, mich auf dem Laufenden zu halten. Lauras Mutter suchte die Erziehungsberatungsstelle auf, und eine Zeit lang hörte ich nicht viel von ihr. Laura kam nach wie vor in den Unterricht, und wenn ich sie nach den Terminen bei der Erziehungsberatungsstelle fragte, lautete ihre Antwort immer: «Läuft gut.» Weitere Kommentare gab es nicht. Sie machte dicht. Ich kam nicht an sie heran, konnte ihr Vertrauen nicht gewinnen. Die Mutter suchte zum Glück professionelle Hilfe und verzichtete darauf, ihre Probleme im Alkohol zu ertränken. Ich empfand das als guten Ansatz und bewunderte insgeheim das Durchhaltevermögen der Frau, zumal in dieser turbulenten Zeit die Mängel der erst kürzlich bezogenen Wohnung zum Vorschein kamen. Laura erzählte mir von feuchten Stellen an den Wänden, die der Vermieter nicht beseitigen wollte.
Lauras Mutter zog mit ihren Kindern erneut um. Der neue Partner verschwand ebenso schnell, wie er aufgetaucht war. Was den Ausschlag für die plötzliche Trennung gegeben hatte, blieb mir verborgen, da ich auch immer nur so viel weiß, wieich erzählt bekomme und von mir aus nicht nach Informationen bohre. Die neue Wohnung befand sich am anderen Ende der Stadt. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln war Laura nun 40 Minuten unterwegs, was dazu führte, dass sie fast täglich zu spät zum Unterricht erschien. Das war eine negative Begleiterscheinung, die im Vergleich zu den sonstigen Problemen dieser Schülerin eine eher untergeordnete Rolle spielte. Ich freute mich immer, wenn Laura überhaupt zur Schule kam.
Bei einem der folgenden zahlreichen Gespräche erzählte mir Lauras Mutter, dass die Schwierigkeiten mit ihrer Tochter täglich zunehmen würden. Laura würde nicht mehr auf sie hören und machen, was sie wolle. So kam es mehrfach vor, dass sie um 23 Uhr noch nicht zu Hause war und ihrer Mutter auch nicht sagte, wo sie gewesen war. Lautstarke Streitereien mit gegenseitigen Beschimpfungen schienen an der Tagesordnung zu sein. Erneut suchte die Mutter von sich aus das Jugendamt auf und bat um Hilfe. Auch mit Lauras Vater, mit dem sie wieder Kontakt zu haben schien, sprach sie über die Vorkommnisse, doch er zeigte sich ebenfalls hilflos. Erschwerend kam hinzu, dass Laura beide Eltern gegeneinander ausspielte. Wenn sie sich beispielsweise mit ihrer Mutter gestritten hatte, übernachtete sie bei ihrem Vater, ohne die Mutter davon zu unterrichten. Ich gewann den Eindruck, dass der Vater seine Tochter nur gewähren ließ, es aber versäumte, Laura klare Grenzen zu setzen. Sie konnte kommen und gehen, wann sie wollte.
Als Lauras Mutter ihre Tochter beim Küssen mit dem 37-jährigen Nachbarn erwischte, gab es erneut heftigen Streit. Laura stritt alles ab und behauptete einmal mehr, ihre Mutter würde spinnen. «Wir verstehen uns einfach nur sehr gut», lautete ihre Interpretation. Die Mutter wandte sich in ihrer Verzweiflung an die Polizei. Dort teilte man ihr mit, solangenichts «vorgefallen» sei, könne man von Behördenseite auch nichts unternehmen. Auch die eindeutig sexuellen Briefe, die Lauras Mutter in der Schultasche ihrer Tochter gefunden hatte, waren anscheinend keine klaren Beweise. Ich gebe gerne zu, wie froh ich war, dass wir das ganze Schuljahr über das Thema Sexualkunde ausführlich besprochen hatten. Das Thema Verhütung bekam nun eine lebensnahe Bedeutung.
Laura und ihre Mutter beschlossen, dass das Mädchen wieder zu ihrem Vater ziehen sollte. Da seine Wohnung nicht für zwei Personen ausreichte, musste auch er eine etwas größere Bleibe suchen. Recht schnell fand er etwas. Da er Hartz-IV-Empfänger war, konnte er sich gänzlich auf den Umzug konzentrieren. Innerhalb von zwei Wochen ging er
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