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Doener, Machos und Migranten

Titel: Doener, Machos und Migranten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betuel Durmaz
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hätte. Als ich ihm ruhig antwortete, pädagogische Maßnahmen nur mit den erziehungsberechtigten Eltern zu besprechen, eskalierte die Situation. Er fing an, mich zu beleidigen und zu bedrohen. Die Skala reichte von dem Vorwurf, ich sei doch nur «eine scheißtürkische Lehrerin, die was gegen Libanesen» habe, bis zu der offenen Drohung,er habe «keine Angst, mir eine zu ballern». Enorme Wut und Aggressivität spiegelten sich in seinen Augen. Inzwischen hatte sich ein Pulk von Schülern um uns herum gebildet. Ich drehte mich ebenso abrupt wie wortlos um und ging Richtung Schulgebäude. Jedes weitere Wort hätte meiner Meinung nach zu einer weiteren Eskalation geführt.

    Noch am selben Tag leitete ich gemeinsam mit der Schulleitung gegen Hassans Bruder eine Anzeige wegen Beleidigung und Bedrohung ein. Ali wurde sofort mit einem Elternbrief nach Hause geschickt und durfte vorerst nicht mehr am Unterricht teilnehmen. Am nächsten Tag kam der Vater zur Schule. Er konnte sich das Verhalten seines Sohnes ganz und gar nicht erklären, zumal gerade dieser Junge von all seinen Kindern der Vernünftigste sei. Diese Aussage wurde bei der späteren Gerichtsverhandlung widerlegt. Auf das Konto von Hassans Bruder gingen bereits etliche Körperverletzungen, Bedrohungen und Beleidigungen. So war es in einem Internetcafé zu einer Auseinandersetzung mit dem Besitzer gekommen. Als Hassans Bruder sich weigerte, das Café zu verlassen, musste die Polizei zu Hilfe gerufen werden, wobei der Junge die Beamten beschimpfte und bespuckte.

    Auch ich musste bei der Gerichtsverhandlung erscheinen. Dabei wurde ich von Herrn Tröster, unserem «Haus- und Hofpolizisten», begleitet, der für unseren Schulbezirk zuständig ist und dem ich für vielerlei Hilfestellungen dankbar bin. Nachdem der Richter meine Aussage gehört hatte, verurteilte er Ali zu 80 Sozialstunden. Ob diese Sozialstunden eine Verhaltensänderung bei ihm bewirkt haben, weiß ich nicht. Hingegen weiß ich sehr genau, dass ich nicht zu den Freunden dieser Familie zähle, zumal der Junge ein paar Wochen später von unserer Schule verwiesen wurde.

    Auch mit Hassans anderem Bruder Khalid, der unsere Schule besuchte, gab es permanent Schwierigkeiten. Der Junge wurde mehrere Wochen lang schon vor dem eigentlichen Unterrichtsbeginn beschult, d.h. er musste um 7 Uhr beim Schulleiter erscheinen und wurde dort bis 8 Uhr unterrichtet. Anschließend musste er mit entsprechenden Hausaufgaben das Schulgelände verlassen, da der Schulfrieden auch durch diesen Jungen gestört war. Khalid schlug und randalierte in einer Tour. Während einer Pausenaufsicht beobachtete ich, wie er an einem Strauch Äste abriss und damit wahllos auf seine Mitschüler einschlug. Mittlerweile ist auch er nicht mehr bei uns. Nach seinem Abgang besuchte er für kurze Zeit einen Berufsförderlehrgang des Arbeitsamtes. Doch auch hier wurde er den Anforderungen im Bereich des Zusammenlebens und Arbeitens nicht gerecht und musste diese Maßnahme bereits nach sehr kurzer Zeit abbrechen. Laut Information einer Mitarbeiterin des Jugendamtes saß er zwischenzeitlich aufgrund einiger Vergehen für drei Wochen im Jugendstrafvollzug. Sämtliche Angebote des Jugendamtes zur Erziehungshilfe lehnen die Eltern nach wie vor ab. Sie ziehen es vor, in ihrer eigenen Welt zu leben, in einer Welt, aus der sie auch mit gesetzlichen Mitteln nicht herausgeholt werden können.

    Neulich erschien Hassan ohne Schultasche im Unterricht. Er sagte, er habe sie verloren und könne sie nicht mehr finden. Ohne Unterrichtsmaterialien sorgte er für noch mehr Unruhe als ohnehin schon. Ich bat eine für das Jugendamt tätige Dolmetscherin, bei den Eltern anzurufen, zumal sich in der Schultasche auch zahlreiche Bücher aus Schuleigentum befanden. Die Dolmetscherin klärte Hassans Mutter darüber auf, dass die Eltern die verschwundenen Bücher unverzüglich zu ersetzen hätten. Zunächst beschuldigte die Mutter die Putzfrau unserer Schule, die Schultasche versteckt zu haben. Alsdie Dolmetscherin dieses Argument nicht gelten ließ, stand die nächste Schuldige fest: Wenn nicht die Putzfrau, dann musste die Klassenlehrerin die Tasche versteckt haben, also ich. Auf keinen Fall werde sie die Bücher ersetzen, sondern ihrem Sohn lediglich neue Stifte und Hefte besorgen.

    Sie hielt ihr Wort. Wir können den Vorfall nur dem Jugendamt und dem Schulamt mitteilen, was wiederum sehr viel bürokratischen Aufwand bedeutet, dessen Wirkung gleich null ist. Wenn die

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