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Doener, Machos und Migranten

Titel: Doener, Machos und Migranten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betuel Durmaz
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vonstatten.

    Vor den Sommerferien plante ich einen Tagesausflug zu einem bei den Schülern sehr beliebten Freizeitpark. Wir verabredeten uns 30 Minuten vor Abfahrt am Bahnhof. Plötzlich erschien Lauras Mutter mit ihrem Exmann und wollte mich dringend sprechen – wieder einmal hatte sie sich einen äußerst ungünstigen Zeitpunkt ausgesucht. Da ich Laura bereits am Treffpunkt gesehen hatte, rief ich sie zu mir und bat sie, ebenfalls an dem Gespräch teilzunehmen. Die Mutter wollte, dass Laura von dem Ausflug ausgeschlossen wurde, denn sie befürchtete, dass sie sich in dem Freizeitpark mit ihrem Freund, dem besagten Nachbarn, treffen wolle. In der Regel dürfen die Schüler bei solchen Ausflügen in Kleingruppen allein herumlaufen und müssen dann zum verabredeten Zeitpunkt wieder am Treffpunkt erscheinen. Aus Sicht der Mutter also ein idealer Ort für ein unbeobachtetes Rendezvous. Augenblicklich begann Laura, ihre Mutter wüst zu beschimpfen; der Vater stand kommentarlos daneben. Die Mutter teilte mir mit, dass sie in keiner Weise mehr Verantwortung für ihreTochter übernehmen und sich auch in keiner Weise mehr auf sie verlassen könne. Von mir wollte sie wissen, ob ich es vor diesem Hintergrund verantworten könne, ihre Tochter mitzunehmen.
    Damit lag der Schwarze Peter bei mir. Konnte ich mich auf Laura verlassen? In der Schule war sie eigentlich immer sehr zuverlässig gewesen und es fiel mir daher schwer, mich jetzt gegen Laura zu entscheiden. Es war ein Ausflug, den wir schon seit einigen Wochen geplant hatten. Laura liebte diesen Freizeitpark, den sie schon mehrfach mit ihren Eltern besucht hatte. Ich nahm Laura das Versprechen ab, dass sie sich dort nicht allein, sondern nur mit ihren zwei Freundinnen aus der Klasse bewegen werde.
    Aus meiner Sicht sollte es ein schöner Tag für die Schüler werden. Nicht jedes Kind bekommt die Gelegenheit, mit seiner Familie dorthin zu fahren. Die Eintrittsgelder und die Fahrtkosten sind für viele Familien unerschwinglich. Durch die Gruppenermäßigung und die finanzielle Unterstützung durch unseren Förderverein bietet sich für viele Kinder eine einmalige Chance, einen unbeschwerten Tag zu genießen. Unbeschwert sollte der Tag auch für Laura werden – allerdings nicht für mich.
    Wie von ihrer Mutter befürchtet, erschien Laura nicht zur vereinbarten Zeit an unserem Treffpunkt. Ihre beiden Freundinnen erzählten mir, dass sie sie zu einem Versteckspiel im Park überredet habe. Danach hatten sich die Wege der Mädchen getrennt. Schnell wurde mir klar, dass wir Laura nicht finden würden. Sie verfügte über ein eigenes Ticket für den öffentlichen Nahverkehr, war also nicht auf unser Gruppenticket angewiesen. Auch wenn unsere Schüler in vielen Dingen Lerndefizite haben, sollte man ihre Alltags- bzw. Straßentauglichkeit keinesfalls unterschätzen. Viele wohlbehütete Kinder wären wahrscheinlich hilflos und wüssten nicht,welchen Zug, welchen Bus oder welche Straßenbahn sie nehmen müssten. Unsere Kinder sind da weitaus fitter.
    Glücklicherweise hatte ich mir im Vorfeld die schriftliche Rückversicherung der Eltern geben lassen, dass wir bei Nichterscheinen ihres Kindes nach einer Wartezeit losfahren würden. Ich musste auch an das Wohl der anderen Kinder denken. Viele Eltern würden auf uns warten und sich Sorgen machen, wenn wir noch Stunden mit der vergeblichen Suche verbringen würden. Im Laufschritt liefen wir zum Zug und erreichten ihn in letzter Minute. Unterwegs rief ich Lauras Eltern an und teilte ihnen mit, was vorgefallen war. Merkwürdigerweise reagierten beide sehr gelassen.
    Am nächsten Morgen rief Lauras Vater in der Schule an und teilte mir mit, dass seine Tochter krank sei und nicht zur Schule kommen könne. Auf meine Frage, wo sie denn gestern gewesen sei, antwortete er, sie hätte ihre Periode bekommen und wäre deshalb auf der Suche nach einer Toilette verspätet zum Treffpunkt gekommen. Natürlich war diese Geschichte völlig unglaubwürdig. Doch was soll man als Lehrer/Lehrerin machen bzw. welchen erzieherischen Einfluss hat man noch?
    Als Laura am übernächsten Tag wieder zur Schule kam, sagte ich ihr dennoch meine Meinung. Sie reagierte mit einem herablassenden Lächeln. Was genau geschehen war, würde ich nie erfahren.

    Zu ihrer Mutter hat Laura weiterhin kaum Kontakt. Sie lebt bei ihrem Vater, der ihr alle Freiheiten lässt. Bei einem Telefongespräch bat ich ihn, die bestehenden Kontakte zum Jugendamt weiter zu pflegen. Laura

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