Doener, Machos und Migranten
bekam.
Natürlich änderte sich auch nach diesem Gespräch nichts am Schulbesuchsverhalten von Janice. Jetzt blieb nur noch eins, was ich versuchen konnte. Ich sprach mit der Mitarbeiterin vom Jugendamt und bat sie um eine mehrwöchige Schulwegsbegleitung für Janice. Das Jugendamt hat einen Pool von Mitarbeitern, die Schulschwänzer zu Hause abholen und zur Schule bringen. «Unser Kontingent ist zur Zeit ausgeschöpft», wurde mir gesagt. «Wir haben nicht genug Leute». In solchen Momenten denke ich an die vielen Gespräche, die ich mit meinem Schulleiter, mit dem Jugendamt, mit dem Schulamt, Janice und ihrer Mutter geführt habe. An die vielen Briefe und Protokolle, Aktennotizen, die von mir geschrieben wurden. Das Ergebnis dieser vielen Arbeit ist dann sehr frustrierend und ich kann über die Schulpflicht, die im Gesetz verankert ist, nur noch müde lächeln. Mein Ziel, ein regelmäßiger Schulbesuch für eine minderjährige, schulpflichtige Schülerin, hatte ich nicht erreicht.
Einmal habe ich Janice zufällig in der Gelsenkirchener Innenstadt gesehen. Sie war mit einem anderen gleichaltrigen Mädchen und ihrer 5-jährigen Schwester unterwegs. Janice sprach zwei jugendliche ausländische Jungen nach Feuer fürihre Zigarette an. Dabei kicherten beide Mädchen. Sie wollte offensichtlich einen Kontakt mit diesen Jungen herstellen. Ihr gesamtes äußeres Erscheinungsbild hatte sich auch verändert. Janice wirkte mit ihren 14 Jahren schon viel älter und verlebter. Ihre Kleidung war sehr figurbetont und sie war ziemlich stark geschminkt. Manchmal frage ich mich, wieso sich gewisse Schicksale wiederholen müssen. Janice wird meiner Meinung nach in sehr jungen Jahren ein Kind bekommen. Sehr wahrscheinlich von einem jungen Mann ausländischer Herkunft. Hoffentlich wird ihr ein Drogenproblem erspart bleiben.
Leider ist das Problem Schulschwänzer kein Einzelfall. In fast jeder Klasse gibt es ein bis zwei Dauerschwänzer. In der Regel fehlen diese Kinder sehr häufig und so bald man Mahnbriefe an die Erziehungsberechtigten schreibt, erscheinen sie wieder für ein paar Tage im Unterricht, um dann wieder in ihr altes Verhaltensmuster zurückzufallen. Janice ist ein klarer Fall der besonderen Härte. Sämtliche Mahnbriefe und auch die Briefe des Schulamtes wurden von der Mutter ignoriert. Obwohl es sich hier meiner Meinung nach auch um eine Gefährdung des Kindeswohls handelt, führten sämtliche Maßnahmen seitens der Schule und des Jugendamtes zu keiner Verhaltensänderung. Unter Kindeswohlgefährdung sollte nicht nur die Verwahrlosung und Misshandlung von Kindern verstanden werden. Schulschwänzerei und der damit verbundene Lebensstil führen bei einem 13-jährigen Kind enorm zu einer Gefährdung des Wohlseins.
Trotz vorhandener Gesetze zur Schulpflicht fehlt es anscheinend an der ausführenden Kraft. Lehrer und Sozialarbeiter leisten ihre Arbeit, dennoch greift der Gesetzesarm speziell in Nordrhein-Westfalen nicht. Es fehlt an Personal und an vollzogenen Strafen. Wie kann ein Jugendamt nicht übergenügend Personal verfügen? Von der Gesetzeslage dürfen wir einmal pro Fall die Polizei beauftragen, eine Schulschwänzerin abzuholen um sie zur Schule begleiten zu lassen. Warum ist dies nicht öfter möglich? Die Wirkung einer solchen «Begleiteskorte» wäre nicht unerheblich. So ein Polizeiwagen, der morgens vor der Tür steht, wäre mit Sicherheit sehr eindrucksvoll – eindrucksvoller als irgendwelche Studenten vom Jugendamt, die den gleichen Job verrichten.
12. Mit Hartnäckigkeit ans Ziel – Hivda
Eine Erfolgsgeschichte besonderer Art stellt der Lebensweg von Hivda dar. Hivda wurde als viertes von fünf Kindern einer kurdischstämmigen Familie geboren. Ihr Geburtsort liegt im Osten der Türkei in der Nähe der Stadt Van und wird vornehmlich von Kurden bewohnt. Die Amtssprache ist Türkisch; Kurdisch war lange Zeit verboten, sogar das Singen kurdischer Lieder stand unter Strafe. Inzwischen ist zumindest in dieser Hinsicht etwas mehr Toleranz eingekehrt, die kurdische Sprache ist offiziell zugelassen. Dennoch finden immer wieder türkische Übergriffe auf das Kurdengebiet statt. Militärische Offensiven gegen die in der Region vermuteten Stellungen von Kämpfern der verbotenen PKK sind an der Tagesordnung.
Hivdas Vater arbeitete mehrere Jahre lang als Journalist bei der örtlichen Zeitung. In seinen Artikeln befasste er sich immer wieder mit den vielen Verboten und Repressionen, die das Leben in der Stadt
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